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Prof. Dr. Dr. Sven Meuth, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Düsseldorf

Forscher arbeiten an einem neuen Therapieansatz bei Multipler Sklerose

Neurologen der Uniklinik Düsseldorf sind an einem internationalen Forschungsprojekt beteiligt – Im Fokus: ein Medikament, das ursprünglich zum Einsatz gegen Epilepsie entwickelt worden ist. Live-Stream zum Welt-MS-Tag am 30. Mai 2023, 19:00 Uhr.

Düsseldorf (UKD) – Zwischen 220.000 und 250.000 an Multipler Sklerose (MS) erkrankte Menschen leben in Deutschland. Im Zusammenhang mit dieser entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems treten motorische Störungen und Gefühlsstörungen der Haut auf, manchmal begleitet von Funktionsstörungen der Blase, Lähmungserscheinungen, anhaltender Erschöpfung, Schwindelgefühlen oder sexuellen Funktionsstörungen. Eine Heilung ist aktuell nicht möglich. Die medizinische Forschung beschäftigt sich allerdings mit vielen Aspekten der Erkrankung, um Ansätze für eine wirksame Therapie zu finden – so auch das Team um Prof. Dr. Dr. Sven Meuth, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, das in ein internationales Forschungsprojekt unter Führung der Universitätsmedizin Mannheim und in Kooperation mit Spezialisten aus Münster, Cambridge und San Francisco eingebunden ist.

Die Wissenschaftler und Ärzte gehen in einer aktuellen Publikation im „Journal of Clinical Investigation“ davon aus, dass eine Übererregbarkeit von Nervenzellen, die zur Erschöpfung und schließlich zum Absterben dieser Zellen führt, eine Hauptursache für MS-bedingte Ausfallerscheinungen sein kann. Die Forscher haben festgestellt, dass das ursprünglich gegen Epilepsie entwickelte Medikament Retigabin das Potenzial hat, die Nervenzellen zu schützen. „Das Ziel muss sein, die Phase bis zum Zelluntergang zu verlängern“, so Prof. Meuth. Die Forscher konnten zeigen, dass Retigabin die Übererregbarkeit von Nervenzellen reduziert. „Die Substanz, mit der wir geforscht haben, hat den Vorteil, dass sie schon einmal als Medikament zugelassen worden ist“, so der Neurologe aus Düsseldorf. „Sollte sich schlussendlich bewahrheiten, dass MS-Patientinnen und Patienten deutlich davon profitieren können, wäre der Weg bis zu einer Verwendung auch in diesem Bereich deutlich kürzer.“

Medikament kann Nervenzellen Schutz bieten

Das Medikament hilft dabei, Kaliumionen aus den Nervenzellen auszuleiten. Kalium übernimmt eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, den Erregungszustand der Zellen zu regulieren. Bei hoher Erregung sammelt sich der Stoff in der Zelle. Ist die Konzentration zu hoch, kann es zum Funktionsverlust kommen. Dies geschieht bei Menschen mit MS vornehmlich in den Schubphasen, wenn also bereits bekannte oder neue Symptome über eine Zeitspanne von wenigen Tagen bis hin zu Wochen aufflammen. „Die Frage, die wir beantworten möchten, ist die, wie viel Schutz das Medikament bietet, wenn die Nervenzellen ´under attack´ sind“, sagt Prof. Meuth. „Gerade bei schubartigen Erkrankungen ist das Volllaufen der Zellen mit Kalium kein Dauerzustand. Mit einer vorübergehenden Medikamentengabe, könnte der Schutz für die Zellen ein- und ausgeschaltet werden.“

Gleichzeitig kümmert sich das Forschungsteam darum, das Medikament besser verträglich zu machen. Der Grund, warum es sich in der Epilepsie-Behandlung nicht durchsetzen konnte, war eine mit der Einnahme einhergehende Leberwerterhöhung. „Es gibt Medikamente für Epilepsie mit weniger Nebenwirkungen“, so Prof. Meuth. Für das neue Einsatzgebiet soll die Substanz nun optimiert werden. „Aktuell beschäftigen sich Chemiker mit der Frage, wie das Medikament von den Nebenwirkungen befreit werden kann.“

Bis zum Ende der vorklinischen Entwicklung ist es laut Prof. Meuth nicht mehr weit. „Wir können das Projekt im Wissenschaftsbetrieb vielleicht noch ein bis zwei Stufen weiter vorantreiben.“ Dann muss die sehr kostenintensive klinische Entwicklung folgen – unter anderem mit klinischen Studien zunächst an Gesunden und später an erkrankten Menschen. „Hier ist die oft kritisierte Pharma-Industrie der Garant dafür, dass das notwenige Geld aufgebracht wird, um Medikamente bis zur Marktreife zu entwickeln“, so Prof. Meuth. „Die hierfür erforderlichen immensen Summen können im Hochschulbetrieb nicht aufgebracht werden.“

Die Multiple Sklerose im Fokus der Forschung

Die Ansätze im Bereich der MS-Forschung sind sehr vielfältig. Neben der Suche nach Ansatzpunkten für medikamentöse Therapien steht zum Beispiel der Ernährungsbereich im Fokus von MS-Forschern. Mittlerweile ist nachgewiesen, dass das Mikrobiom im Darm Auswirkungen auf Entstehung und Verlauf der Erkrankung hat. Ärztinnen und Ärzte empfehlen MS-Betroffenen eine salzarme, faserreiche Kost sowie eine Ernährung, die auf kurzkettige Fettsäuren setzt.

Zudem wird die im Rahmen der Corona-Pandemie eingesetzt mRNA-Impftechnologie als große Chance für MS-Erkrankte gesehen, denn die Entstehung der Multiplen Sklerose steht ganz offenbar in engem Zusammenhang mit Infektionen mit dem Ebstein-Barr-Virus.

Link zur Publikation:

„Neuron-oligodendrocyte potassium shuttling at nodes of Ranvier protects against inflammatory demyelination“

https://www.jci.org/articles/view/164223

Live-Stream zum Welt MS-Tag am 30. Mai:

Gemeinsam mit der Selbsthilfeorganisation aMStart, die sich an junge Erwachsene und deren Angehörige richtet, bietet die Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Düsseldorf einen Live-Stream zum Welt-MS-Tag am 30. Mai an. Interessierte können sich ab 19:00 Uhr auf YouTube über Multiple Sklerose informieren und über den Chat Fragen stellen. Zu Gast im Live-Format sind die MS-Bloggerin, Autorin und Patientenadvokatin Alexandra Leyer und Prof. Dr. Dr. Sven Meuth (Direktor der Klinik für Neurologie, Uniklinik Düsseldorf). Es moderiert Jasmin Mir, Gründerin von aMStart.

Link zum Live-Stream: https://youtube.com/live/11ZYs2JIzGQ 

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