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Ein Bluthochdruckpatient und sein fachübergreifendes Behandlungsteam: (von links) Prof. Dr. Peter Minko (leitender Arzt der interventionellen Radiologie und minimal-invasiven Therapie), Prof. Dr. Lars Christian Rump (Direktor der Klinik für Nephrologie), Patient Christoph Zeien, Prof. Dr. Johannes Stegbauer (geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Nephrologie) und Dr. Lucas Busch (leitender Arzt der Abteilung für diagnostische und interventionelle Angiologie in der Klinik für Kardiologie).

Von: Jörn Grabert

Mit Hitze gegen aktive Nervenbahnen der Niere

Welthypertonie-Tag am 17.05.2023 – Neues zur Bluthochdruck-Behandlung: Laut neuen Studien kann die sogenannte renale Denervation für bestimmte Bluthoch-druckpatientinnen und -patienten segensreich sein – Die Uniklinik Düsseldorf ist eines von erst fünf zertifizierten Zentren in ganz Deutschland für diese minimal-invasiven Eingriffe.

Düsseldorf (UKD) – Starke Bauchschmerzen waren für Christoph Zeien aus Duisburg im Herbst 2017 der Anlass, seine Hausärztin aufzusuchen. Kurze Zeit später fand er sich in der Krankenhaus-Notaufnahme wieder. In der Hausarztpraxis war ein Blutdruck von 240/170 mmHg gemessen worden – ein sehr hoher Wert, bei dem in der Medizin von einer Blutdruck-Krise gesprochen wird. Ein unauffälliger Blutdruck bewegt sich in einem Bereich deutlich unterhalb von 140/90 mmHg.

Trotz Einsatz mehrerer Medikamente konnte das Behandlungsteam im Krankenhaus den Blutdruck nicht spürbar senken. Und auch in den Monaten danach waren die Werte nicht in den Griff zu bekommen – und das, obwohl Christoph Zeien dann schon täglich bis zu 17 Tabletten gegen Bluthochdruck (medizinisch: Hypertonie) schluckte. Mit einem derart hohen Blutdruck steigt das Risiko beträchtlich, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden oder von einem Nierenversagen betroffen zu sein. Ein Ärzteteam des Universitätsklinikums Düsseldorf (UKD) nahm dann im Jahr 2021 mit Erfolg an Christoph Zeien einen minimal-invasiven Eingriff vor, bei dem die Nierennerven verödet wurden (renale Denervation). Am UKD befindet sich eines von fünf in Deutschland zertifizierten Renalen-Denervations-Zentren (RDZ).

Wie funktioniert die renale Denervation?

Die renale Denervation hat zum Ziel, Signalwege vom Gehirn zu den Nieren zu kappen. „Damit wird der über das sympathische Nervensystem übertragene Befehl zur Ausschüttung von Stresshormonen unterbunden, mit denen eine Erhöhung des Blutdrucks gesteuert wird“, sagt Prof. Dr. Johannes Stegbauer, geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Nephrologie am UKD. Die entscheidenden Nervenbahnen verlaufen entlang der Nierenarterien. Im Rahmen eines Kathetereingriffs von der Beckenschlagader im Bereich der Leiste aus wird eine Sonde durch das Gefäßsystem bis in die Nierenarterien vorgeschoben. Dort werden die entscheidenden Nervenbahnen mit einem Hitzeimpuls verödet. Gleichzeitig wird die Innenwand der Nierenarterie gekühlt, so dass hier möglichst keine Schäden entstehen. Die Hitze wird entweder über Radiofrequenz-Energie oder mit Ultraschall-Technik erzeugt.

Anfang des Jahres veröffentlichten die Europäischen Gesellschaft für interventionelle Kardiologie und für Bluthochdruck eine gemeinsame Erklärung, in der das Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen im Einsatz gegen Bluthochdruck empfohlen wird. Neben der Resistenz gegen eine medikamentöse Behandlung unter dem Einsatz von mindestens drei unterschiedlichen Präparaten müssen Patientinnen und Patienten vor einer renalen Denervation laut Ansicht der Fachgesellschaften weitere Kriterien erfüllen: Es muss ausreichend lang geprüft werden, ob nicht die Optimierung der medikamentösen Behandlung doch eine Normalisierung des Blutdrucks bewirkt. Eine sekundäre Hypertonie – also der Bluthochdruck als Folge einer anderen Erkrankung – muss ebenfalls ausgeschlossen sein. „Darüber hinaus können auch Patienten, die mehrere blutdrucksenkende Medikamente, insbesondere Erstlinienmedikamente und Spironolacton, nachgewiesenermaßen nicht vertragen, Kandidaten für eine renale Denervation sein“, so Prof. Stegbauer.

Vor gut zehn Jahren wurde die renale Denervation bereits euphorisch als Wunderwaffe gegen den Bluthochdruck gesehen. Es folgten ein paar Studien, die den Erfolg der Behandlung in der Breite nicht sofort belegen konnten, denen in der Fachwelt aber auch Mängel im Studiendesign nachgesagt wurden. „Jetzt ist die Evidenzlage eine deutlich andere als noch vor drei oder vier Jahren“, sagt Prof. Dr. Lars Christian Rump, Direktor der Klinik für Nephrologie. Es sei mit Hilfe neuerer Studien deutlich erkennbar, dass die Therapie bei bestimmten Patientengruppen gut funktioniere. „Wichtig ist die Patientenselektion“ bestätigt auch Prof. Dr. Peter Minko, leitender Arzt der interventionellen Radiologie und minimal-invasiven Therapie. „Es ist das geschehen, was wir in der Medizin häufig sehen, dass ein Lernprozess einsetzt.“ Im Fall der renalen Denervation bezog sich der Lernprozess darauf, dass nicht alle Hypertonie-Patientinnen und -Patienten von dem innovativen Therapieangebot profitieren konnten. Deshalb mussten die Patientengruppen besser und enger definiert werden.

Auch Christoph Zeien war in Düsseldorf zunächst Studienpatient – allerdings als Teil einer Kontrollgruppe, die zunächst nicht mit einer renalen Denervation behandelt wurde. Durch eine vereinfachte und sinnvolle Kombination der Blutdruckmedikamente konnten die Blutdruckwerte aber verbessert werden. Die Ergebnisse der mit dem minimal-invasiven Eingriff versorgten Patientinnen und Patienten in der betreffenden Studie waren so positiv, dass am Ende allen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern ein Eingriff angeboten wurde.

Deutliche Verbesserung – aber nicht die Lösung aller Probleme

Seitdem hat sich die Lage von Christoph Zeien deutlich geändert. „Ich muss gar nicht mehr so viele Medikamente nehmen“, so der Bluthochdruck-Patient. Nur noch drei bis vier Tabletten sind es pro Tag. Gleichzeitig bewegt sich sein Blutdruck bei Werten um 130/90 – also im Normbereich. „Zu behaupten, nach einer renalen Denervation ist alles gut und die Behandelten brauchen dann keinerlei Medikamente mehr, ist nicht richtig“, sagt Prof. Stegbauer. Die gute Botschaft sei aber: Die Therapie bringt in den allermeisten Fällen bei einer recht klar definierten Patientengruppe ein sehr positives Ergebnis.

Es wird schon weiter in die Zukunft geschaut: Die Kardiologie der Uniklinik Düsseldorf ist zum Beispiel an einer multizentrischen Studie beteiligt, mit welcher der Einsatz der renalen Denervation bei bestimmten Formen der Herzschwäche beurteilt werden soll. Dr. Lucas Busch, leitender Arzt der Abteilung für diagnostische und interventionelle Angiologie unter dem Dach der Kardiologie, ist positiv gestimmt: „Es deutet sich sehr stark an, dass auch andere Patientengruppen von diesem Verfahren profitieren können.“

Hintergrund: Renale-Denervations-Zentren

Behandlungsansatz bei therapieresistentem Bluthochdruck: Das Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) verfügt über eines von bundesweit aktuell erst fünf zertifizierten Renale-Denervations-Zentren (RDZ). Für den Gesundheitsstandort Düsseldorf ist das ein großer Mehrwert, denn Bluthochdruckerkrankungen sind weit verbreitet. Die Kriterien für den Erhalt des Zertifikats haben die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, die Deutsche Hochdruckliga und die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie gemeinsam erarbeitet und festgelegt.

Unter dem Dach des RDZ arbeiten die Nephrologie, die Kardiologie sowie die interventionelle Radiologie eng zusammen. In den wöchentlich stattfindenden interdisziplinären Nephrologie-Besprechungen wird diskutiert, welche Patientin oder welcher Patient mit Bluthochdruck von einer renalen Denervation profitieren könnte. Dann muss ein Einzelfallantrag bei der jeweiligen Krankenkasse gestellt werden, dessen Bearbeitung bis zu sechs Monate dauern kann. Teams aus der Kardiologie oder der interventionellen Radiologie nehmen dann die minimal-invasiven Kathetereingriffe vor. Die Erstuntersuchung sowie die Nachbehandlung erfolgen schwerpunktmäßig über die Bluthochdruck-Sprechstunde der Nephrologie.

Link: Konsens-Papier der Europäischen Gesellschaften für interventionelle Kardiologie und für Bluthochdruck zur renalen Denervation: https://academic.oup.com/eurheartj/article/44/15/1313/7036012 

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Das Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) ist das größte Krankenhaus in der Landeshauptstadt und eines der wichtigsten medizinischen Zentren in NRW. Die 9.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in UKD und Tochterfirmen setzen sich dafür ein, dass jährlich über 50.000 Patientinnen und Patienten stationär behandelt und 300.000 ambulant versorgt werden können.

Das UKD steht für internationale Spitzenleistungen in Krankenversorgung, Forschung und Lehre, sowie für innovative und sichere Diagnostik, Therapie und Prävention. Patientinnen und Patienten profitieren von der intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit der 60 Kliniken und Institute. Die besondere Stärke der Uniklinik ist die enge Verzahnung von Klinik und Forschung zur sicheren Anwendung neuer Methoden.

Am UKD entsteht die Medizin von morgen. Jeden Tag.

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