Forschung

Das funktionelle Zusammenspiel von Ionenkanälen ganz unterschiedlicher biophysikalischer Eigenschaften ermöglicht dem Nervensystem die Kodierung von Information sowie ihre Weiterleitung. Ionenkanäle sind als Proteinkomplexe aufgebaut: zum einen weisen sie a-Untereinheiten auf, die die Kanalpore bilden, zum anderen besitzen sie akzessorische b-Untereinheiten, die die biophysikalischen Eigenschaften der Ionenkanäle modulieren sowie ihre subzelluläre Verteilung in spezifische Membrandomänen (dendritische, somatische, axonale Kompartimente) steuern. Variationen in der Komplexzusammensetzung und der Stöchiometrie der Komponenten, wie sie in verschiedenen Hirnregionen und den subzellulären Kompartimenten einzelner Neurone beobachtet werden können, erhöhen dabei die funktionelle Vielfalt der Ionenkanäle. Fehlerhafte Komplexzusammensetzungen und Stöchiometrien können hingegen die Funktion von Ionenkanälen beeinträchtigen und so zu Erkrankungen des Gehirns führen.

Wir haben in den letzten Jahren Methoden entwickelt, um Proteinkomplexe von Ionenkanälen zu analysieren und funktionell zu charakterisieren. Mittels entsprechender Detergenzien werden zunächst hochmolekulare Proteinkomplexe aus Hirnmembranen herausgelöst. Über Affinitätsaufreinigung werden dann die Zielkomplexe angereichert und anschließend mit Hilfe hochauflösender Massenspektrometrie analysiert. Dieser experimentelle Ansatz erlaubt die Identifizierung der gesuchten Komplexbestandteile sowie die Detektion ihrer posttranskriptionellen und posttranslationalen Modifikationen (alternatives Splicing, Phosphorylierung, etc.). Die so identifizierten Ionenkanalkomplexe werden in heterologen Expressionssystemen  rekonstituiert, um die einzelnen Bestandteile biochemisch, zellbiologisch und elektrophysiologisch auf ihre Eigenschaften untersuchen zu können. Die physiologische Relevanz einzelner Komplexbestandteile wird schließlich unter nativen Bedingungen erforscht, indem die endogene Zusammensetzung von Ionenkanalkomplexen in Primärzellen manipuliert wird (siRNA, dominant-negative Mutanten, Überexpression, etc.).

 Mit Hilfe der beschriebenen Vorgehensweise ist es uns gelungen, einige wichtige Ionenkanäle des Gehirns zu analysieren, darunter der spannungsabhängige Kaliumkanal Kv1.1, der Schrittmacherkanal HCN2 und der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter-Rezeptor des Gehirns, der Glutamatrezeptor vom AMPA-Subtyp GluA. In allen Fällen konnten wir neue akzessorische b-Untereinheiten identifizieren, die den intrazellulären Transport und die biophysikalischen Eigenschaften der jeweiligen Ionenkanäle beeinflussen.

In den bisherigen Forschungsprojekten wurden Ionenkanalkomplexe ungeachtet ihrer Herkunft aus unterschiedlichen Hirnregionen oder Plasma- und intrazellulären Membrandomänen untersucht. In Zukunft wollen wir Variationen in der Zusammensetzung von Ionenkanalkomplexen auflösen, die sich aus unterschiedlichen zellulären und subzellulären Verteilungsmustern der jeweiligen Untereinheiten ergeben. In einer differentiellen Proteomanalyse werden wir außerdem physiologische und pathophysiologische Zustände vergleichen, um mögliche qualitative wie quantitative Unterschiede in den Kanalkomplexen zu identifizieren. Die Kenntnis dieser Unterschiede wird zur Entwicklung neuer „funktionseinheiten-spezifischer“ Therapiestrategien hilfreich sein.

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