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Der erste Workshop des STAIRS-Netzwerks, das gegen Blutvergiftungen im Teil Afrikas südlich der Sahara kämpft, konnte vom 12. bis 15. Dezember in Addis Abeba stattfinden. Dabei sind etwa 50 Teilnehmer aus zehn afrikanischen Ländern und aus Deutschland zusammengekommen, um die praktische Umsetzung des Vorhabens zu planen. Neben den STAIRS Partnern waren auch Vertreter aus Politik, Gesellschaft und anderer Organisationen, wie beispielsweise der Afrikanischen Sepsis-Alliance, anwesend. (Foto: Universitätsklinikum Düsseldorf/UKD)

Hirsch-Institut der Uniklinik Düsseldorf kämpft mit Partnern gegen Blutvergiftungen in Afrika

Das Netzwerk STAIRS will Fortschritte in Prävention, Diagnostik und Therapie der Sepsis erzielen, um die hohe Sterblichkeit in Afrika zu senken.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert seit 2016 afrikanisch-deutsche Forschungsnetzwerke, die dazu beitragen sollen, die Gesundheitssituation der Menschen südlich der Sahara zu verbessern. In diesem Jahr hat eine neue Förderperiode begonnen, in der sechs Projekte mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten für fünf Jahre mit insgesamt 50 Millionen Euro gefördert werden. Dabei sind die Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) und das 2013 von der Klinik gegründete Hirsch-Institut für Tropenmedizin (HITM) in Äthiopien Mitinitiatoren des neu gegründeten STAIRS-Projektes, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Krankheitslast und die hohe Zahl an tödlich verlaufenden Blutvergiftungen (Sepsis) in Subsahara-Afrika zu reduzieren. Nach Abschluss der Vorbereitungen konnte vom 12. bis 15. Dezember der erste Workshop des STAIRS-Konsortiums in Addis Abeba stattfinden. Dabei sind etwa 50 Teilnehmer aus zehn afrikanischen Ländern und aus Deutschland zusammengekommen, um die praktische Umsetzung des Vorhabens zu planen. Neben den STAIRS Partnern waren auch Vertreter aus Politik, Gesellschaft und anderer Organisationen, wie beispielsweise der Afrikanischen Sepsis-Alliance, anwesend.

Etwa 50 Millionen Sepsis-Fälle weltweit

Sepsis – oft auch Blutvergiftung genannt - ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild, bei dem eine fehlregulierte Immunantwort gegen Infektionserreger eine Organschädigung und häufig ein Organversagen verursacht. Weltweit treten jährlich etwa 50 Millionen Fälle von Sepsis auf, etwa 11 Millionen Fälle verlaufen tödlich. Subsahara-Afrika ist mit rund einem Drittel der weltweiten Krankheits- und Todesfälle die am schwersten betroffene Region weltweit. Zugleich sind die Möglichkeiten für Diagnostik und Therapie der Sepsis in Afrika besonders limitiert.

Sepsis in Afrika unterscheidet sich in vielen Aspekten wesentlich von dem Krankheitsbild, das wir in Europa kennen. Das unzureichende Verständnis und die geringe Wahrnehmung der Sepsis in Afrika tragen erheblich zur hohen Sterblichkeit bei. So lassen sich für reiche Länder etablierte diagnostische Scores und Therapiestrategien nicht einfach übertragen. Bestimmte in Europa etablierte Behandlungskonzepte bei Sepsis können Patientinnen und Patienten in Afrika sogar schaden. Zunächst ist es daher wichtig, ein detaillierteres Bild zu erhalten. „Man weiß nicht sehr genau, wie viele Sepsis-Fälle es in Afrika gibt, wo sie auftreten und welche Risikofaktoren eine Rolle spielen“, sagt Prof. Dr. Torsten Feldt, Co-Direktor des STAIRS-Netzwerkes und stellvertretender Direktor des Hirsch-Instituts für Tropenmedizin am UKD. Im Rahmen des STAIRS-Projektes sollen daher in den nächsten fünf Jahren verschiedene Aspekte der Sepsis untersucht werden. Diese umfassen die Häufigkeit von Sepsis auch außerhalb von Gesundheitseinrichtungen, Risikofaktoren für Sepsis und schwere Verläufe, sowie eine detaillierte Beschreibung des Erregerspektrums und der Immunreaktion. Ziel ist es durch die gewonnenen Daten zur Entwicklung von Werkzeugen für Prävention, frühe Erkennung und optimale Therapie der Sepsis beizutragen. 

„Wir benötigen in Afrika die Möglichkeit, eine Diagnose schnell und mit wenig Infrastruktur zu stellen“, so Prof. Feldt. Wie das gehen kann, soll eine Studie mit rund 2.100 Patientinnen und Patienten zeigen, bei denen zusätzlich zur herkömmlichen Diagnostik auch innovative Methoden zum Einsatz kommen. Großes Potential haben dabei molekulargenetische Methoden, wie z. B. die Sequenzierung von DNA-Fragmenten von Krankheitserregern direkt aus dem Blut der Patientinnen und Patienten. Diese Methode erlaubt eine ungezielte und schnelle Erregerdiagnostik mit geringer technischer Ausstattung vor Ort. Weitere Vorteile der Methode im Vergleich zur konventionellen Blutkultur sind, dass bei einer höheren Empfindlichkeit weniger Blut benötigt wird und dass auch Erreger wie Viren oder Parasiten nachgewiesen werden können, die nicht in Kulturen wachsen. Es werden dabei auch neue oder exotische Erreger nachgewiesen, ohne dass gezielt auf diese getestet werden muss. Daher erwarten die Forscher auch wertvolle Informationen zum Spektrum von Erregern in den verschiedenen Studienzentren, die ansonsten mit der herkömmlichen Diagnostik nicht erfasst werden. Die gewonnenen Informationen können dem medizinischen Personal als Orientierung für die Einleitung einer ersten Therapie dienen, wenn noch keine Erregerdiagnose vorliegt oder keine Diagnostik verfügbar ist und können dabei helfen, verbesserte und regional angepasste diagnostische Testplattformen zusammenzustellen. Obwohl die Methode derzeitig noch teuer ist, kann sie mit einem kleinen Analysegerät und einem Laptop vor Ort durchgeführt werden. Die Auswertung der Sequenzen erfolgt dann online. Das ist in Ländern, die kaum über nennenswerte Laborkapazitäten verfügen, ein klarer Vorteil und macht diese Methode für den Einsatz in Afrika perspektivisch sehr interessant.

Sepsis-Erkennung über Biomarker

Gleichzeitig gehen die vorwiegend afrikanischen Forscher im Netzwerk STAIRS der Frage nach, wie eine Sepsis über eine Kombination von Biomarkern frühzeitig identifiziert werden kann und wie dabei beispielsweise zwischen viralen und bakteriellen Erregern unterschieden werden kann. Sollte dies gelingen, wäre dies ebenfalls eine wichtige Hilfe für die behandelnden Ärzte bei der Auswahl der Therapie. „Biomarker können prinzipiell mit Point-of-Care-Tests – ganz ähnlich wie die Bestimmung des Blutzuckers – gemessen werden und ebenfalls eine Diagnostik ohne Labor mit umfangreicher Infrastruktur erlauben“, so Prof. Feldt.

Eine schnelle und sichere Diagnostik der Sepsis im südlichen Afrika wird wesentlich zu einer verbesserten medizinischen Versorgung beitragen. „Es ist wichtig, genau zu wissen, welche Patientinnen und Patienten tatsächlich von einer Blutvergiftung betroffen sind und in welcher Phase der Erkrankung sie sich befinden“, sagt der Co-Direktor des STAIRS-Netzwerks. So können die knappen Ressourcen der afrikanischen Gesundheitssysteme gezielt und effektiv eingesetzt werden. „Je später bei einer Sepsis Antibiotika gegeben werden, desto höher ist das Risiko, zu versterben - hier zählt jede Stunde.“ Der gezielte Einsatz von Antibiotika ist extrem wichtig. Problematisch sind in Afrika die kaum kontrollierte Verfügbarkeit von Antibiotika und die teils minderwertige Qualität, die dazu geführt haben, dass Resistenzen stark zugenommen haben. „Für Standardantibiotika für gramnegative Erreger sehen wir hier im UKD eine Wirksamkeit im Bereich von 70 bis 80 Prozent. Aus Äthiopien haben wir in unseren Studien gesehen, dass nur noch 10 bis 20 Prozent der Erreger empfindlich gegenüber den verfügbaren Standard-Antibiotika sind“, so Prof. Feldt.  Die hierzu erhobenen Daten werden Gesundheitspolitikern und Ärzten zur Verfügung gestellt, um gezielte Strategien entwickeln zu können und um Behandlungsentscheidungen zu unterstützen. „Über diesen Weg kann aufgezeigt werden, mit welchen Erregern und Resistenzen zu rechnen ist und welche Therapie im Fall einer Sepsis die richtige ist.“ Davon könnten dann auch Patientinnen und Patienten in wenig erschlossenen Gegenden profitieren.

Wie man die Sepsis-Therapie am besten steuert, wollen die an STAIRS beteiligten Wissenschaftler in einem späteren Schritt untersuchen. Auf der Basis der Erkenntnisse der Studien, die in den ersten Jahren des Projektes durchgeführt werden, wird dabei eine Testplattform entwickelt und in einer randomisierten klinischen Studie untersucht, ob diese tatsächlich den klinischen Verlauf und das Überleben der Patienten verbessert. Von Beginn an sind Vertreter der Gesundheitsministerien der beteiligten Länder und wichtiger Organisationen und Interessensgruppen an Planung und Durchführung des Projektes beteiligt, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse Eingang in die Praxis finden und den Betroffenen zugutekommen.

Auch in anderen Netzwerk-Projekten forschen die Partner aus Düsseldorf und Äthiopien zu bakteriellen Infektionen, Infektionserregern und Antibiotikaresistenz. Das von der „Global Health EDCTP 3“ Initiative geförderte EpiGen Projekt befasst sich dabei mit der molekularen Diagnostik und Surveillance von wichtigen Infektionserregern in Äthiopien. In dem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderten COMBAT AMR in Afrika Netzwerk mit Beteiligung von Partnerinstituten in sieben afrikanischen Ländern und verschiedenen deutschen Partnerinstituten werden unter anderem neue diagnostische Methoden und digitale Anwendungen für den Kampf gegen Antibiotikaresistenz untersucht.

Informationen zum STAIRS-Projekt

Sieben afrikanische Länder beteiligen sich an STAIRS. Außer dem HITM in Äthiopien sind Einrichtungen in der Demokratischen Republik Kongo, Ghana, Mosambik, Nigeria und Sierra Leone und Uganda beteiligt. Das Ziel des Netzwerkes ist es, durch Studien zu verschiedenen Aspekten der Sepsis Wissenslücken zu schließen und durch interdisziplinäre Forschung auf internationalem Niveau innovative Ansätze zu untersuchen. Dazu gehören unter anderem molekulargenetische Methoden zur Identifizierung der verursachenden Krankheitserreger, neue Biomarker für die frühe Diagnose einer Sepsis und der Einsatz von Apps. In einer Interventionsstudie soll untersucht werden, ob sich durch den Einsatz einer auf Basis der ersten Studien entwickelten Testplattform der klinische Verlauf von Patienten mit Sepsis an den Zentren des Netzwerkes verbessern lässt.

Darüber hinaus sind Ausbildung und Austausch – insbesondere unter den beteiligten afrikanischen Ländern – zentrale Aspekte des Projektes. Beispielsweise soll ein Student oder eine Studentin aus Äthiopien an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf promovieren.

Professor Feldt aus der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie des UKD ist Mitinitiator und Co-Direktor des mit über 10 Mio. Euro geförderten STAIRS-Projektes. Aus Deutschland beteiligt ist zudem die Berliner Charité, mit dem zweiten Co-Direktor Prof. Konrad Reinhart. Direktor des Projektes ist Dr. Nathan Kenya-Mugisha, der ehemalige Generaldirektor des ugandischen Gesundheitsministeriums. Nachdem in den letzten Jahren eine Reihe von Studien zur Sepsis in enger Kooperation zwischen der Düsseldorfer Klinik und dem Hirsch Institut für Tropenmedizin mit Sitz im äthiopischen Asella durchgeführt und veröffentlicht worden sind, gelang jetzt die Einwerbung dieses Projektes in der hochkompetitiven und renommierten Förderlinie Research for Health Innovations in sub-Saharan Africa (RHISSA) des BMBF.

Studie mit weltweiten Sepsis-Zahlen: https://www.thelancet.com/article/S0140-6736(19)32989-7/fulltext  

Hirsch-Institut für Tropenmedizin: https://www.uniklinik-duesseldorf.de/patienten-besucher/klinikeninstitutezentren/klinik-fuer-gastroenterologie-hepatologie-und-infektiologie/hirsch-institute-of-tropical-medicine   

STAIRS-Netzwerk: https://www.stairs-sepsis.com

COMBAT-AMR in Afrika Netzwerk: https://combat-amr.org

EpiGen-Projekt: https://www.epigenethiopia.com

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Das Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) ist das größte Krankenhaus in der Landeshauptstadt und eines der wichtigsten medizinischen Zentren in NRW. Die 9.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in UKD und Tochterfirmen setzen sich dafür ein, dass jährlich über 50.000 Patientinnen und Patienten stationär behandelt und 300.000 ambulant versorgt werden können.

Das UKD steht für internationale Spitzenleistungen in Krankenversorgung, Forschung und Lehre, sowie für innovative und sichere Diagnostik, Therapie und Prävention. Patientinnen und Patienten profitieren von der intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit der 60 Kliniken und Institute. Die besondere Stärke der Uniklinik ist die enge Verzahnung von Klinik und Forschung zur sicheren Anwendung neuer Methoden.

Am UKD entsteht die Medizin von morgen. Jeden Tag.

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