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Neue Behandlung der Multiplen Sklerose: Veröffentlichung von drei Studien im New England Journal of Medicine

Halbjährige Infusionen mit dem gegen B-Lymphozyten gerichteten Antikörper Ocrelizumab (Anti-CD20) verringern die Schubreaktion bei einem schubförmigen Verlauf der Multiplen Sklerose (MS) um 46 % im Vergleich zum häufig in der Therapie eingesetzten Interferon Beta 1a. Zu diesem Ergebnis kommen zwei internationale multizentrische Phase 3-Studien unter maßgeblicher Beteiligung der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Düsseldorf (Direktor Prof. Hans-Peter Hartung), welche die Wirksamkeit des Antikörpers bei dieser häufigsten Verlaufsform der MS prüften. In einer weiteren Phase-3-Studie wurde dieser Antikörper ebenfalls bei der sogenannten primär progredienten Verlaufsform, bei welcher es im Krankheitsverlauf zu zunehmender Behinderung kommt, untersucht. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse am Donnerstag, den 22.12.2016, im renommierten New England Journal of Medicine.

In Deutschland leiden etwa 200.000 Patienten an Multipler Sklerose (MS) – weltweit sind es etwa 2,5 Millionen Patienten. MS ist eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), bei der es zu einer chronischen Entzündung des ZNS kommt: Infolge einer Fehlfunktion des Immunsystems können körpereigene Zellen die schützende Hülle der Nervenfasern und sogar Nervenzellen selber angreifen. Sie ist die häufigste Ursache bleibender Behinderungen bei jüngeren Erwachsenen und tritt meist mit einem durch schubartige neurologische Störungen charakterisierten und seltener einem chronisch-progredientem Verlauf auf. Die Erforschung der Multiplen Sklerose ist ein Schwerpunkt der Düsseldorfer Klinik für Neurologie.

In zwei mit identischem Design durchgeführten Studien (OPERA 1 und 2) bei insgesamt 1656 Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose wurde die wiederholte Gabe dieses monoklonalen Antikörpers, jeweils halbjährlich infundiert, mit einer Standardtherapie, dem hochdosierten und drei Mal wöchentlich injizierten Interferon Beta 1a verglichen. Am Ende der zweijährigen Studie zeigte sich bei Patienten, die Ocrelizumab erhielten, eine Schubratenreduktion im Vergleich zur Interferon Beta-Therapie um 46 Prozent. Ocrelizumab reduzierte auch den Anteil der Patienten mit Behinderungszunahme und war Interferon Beta 1a auch in einer Reihe von anderen klinischen und kernspintomographischen Studienparametern überlegen.

Die Wirkung von Ocrelizumab wurde auch bei der primär progredienten Form der Multiplen Sklerose untersucht. In dieser Phase 3-Studie (ORATORIO) wurden 732 Patienten im Verhältnis 2:1 zufällig  Ocrelizumab oder einem Placebo zugeordnet. Diese Behandlung erfolgte über einen Zeitraum von mindestens 120 Wochen. Auch in dieser MS-Verlaufsform konnte eine therapeutische Wirksamkeit von Ocrelizumab – in diesem Fall gegenüber einem Placebo – nachgewiesen werden. Es kam zu einer relativen Abnahme des Anteils der Patienten mit bestätigter Behinderungszunahme von 29,3 Prozent.

Die ORATORIO Studie ist die erste Studie, die bei der primär progredienten Verlaufsform der Multiplen Sklerose die therapeutische Wirksamkeit eines Medikamentes nachweisen konnte. „Ocrelizumab ist eine neue hochwirksame Therapie der schubförmigen Multiplen Sklerose. Sie wird hier zweifelsfrei unsere Therapieschemata verändern“, erklärt Professor Hans-Peter Hartung, Direktor der Klinik für Neurologie und Mitglied des Leitungsgremiums der drei Studien sowie Koautor der im New England Journal of Medicine veröffentlichten Arbeiten. Er ergänzt: „Ocrelizumab ist darüber hinaus das erste Medikament mit Wirksamkeit für die seltenere, bisher nicht behandelbare Verlaufsform der primär progredienten MS.“ Die drei Studien belegen zudem eine fundamentale Rolle der B-Lymphozyten in der Pathogenese der Multiplen Sklerose. Mit einer Zulassung der Substanz durch die europäische Zulassungsbehörde wird im Verlauf des nächsten Jahres gerechnet.

Referenzen:

Ocrelizumab Versus Interferon Beta-1a in Relapsing Multiple Sclerosis,
S.L. Hauser, A. Bar-Or, G. Comi, G. Giovanni, H.-P. Hartung, B. Hemmer, F. Lublin, X. Montalban, K.W. Rammohan, K. Selmaj, A. Traboulsee, J.S. Wolinski, D.L. Arnold, G. Klingelschmitt, D. Masterman, P. Fontoura, S. Belachew, P. Chin, N. Mairon, H. Garren, and L. Kappos, for the OPERA I and OPERA II Clinical Investigators, The New England Journal of Medicine, online December 21, 2016 PubMed

Ocrelizumab Versus Placebo in Primary Progressive Multiple Sclerosis,
X. Montalban, S.L. Hauser, L. Kappos, D.L. Arnold, A. Bar-Or, G. Comi, J. de Seze, G. Giovanni, H.-P. Hartung, B. Hemmer, F. Lublin, K.W. Rammohan, K. Selmaj, A. Traboulsee, A. Sauter, D. Mastermann, P. Fontoura, S. Belachew, H. Garren, N. Mairon, P. Chin, and J.S. Wolinsky, for the ORATORIO Clinical Investigators, The New England Journal of Medicine , online December 21, 2016 PubMed

Kontakt:

Prof. Dr. Hans-Peter Hartung, Direktor der Klinik für Neurologie
Universitätsklinikum Düsseldorf
Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf
Tel. 0211-81-17880
E-Mail

Quelle: HHU (Copyright 2016)

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