Uniklinik Düsseldorf erzielt Durchbruch bei seltener Stoffwechselkrankheit
Veröffentlichung in Fachzeitschrift „Brain“
Düsseldorf (ukd/tpo). Ein Forschungsteam am Universitätsklinikum und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat eine neue Therapieoption für eine extrem seltene und oft tödlich verlaufende Stoffwechselkrankheit entdeckt. Die Ergebnisse dieser langjährigen Forschungsarbeit wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Brain“ veröffentlicht.
Die Krankheit betrifft den sogenannten COQ2-Defekt, eine spezielle Form von Störungen in der körpereigenen Herstellung von Coenzym Q10. Coenzym Q10 ist ein wichtiger Stoff, den Zellen brauchen, um Energie zu gewinnen. Wenn er fehlt, können lebenswichtige Organe wie Gehirn, Herz und Muskeln schwer geschädigt werden. Die bisherige Standardtherapie – die Einnahme von Coenzym Q10 als Tablette – wirkt bei vielen Betroffenen nicht ausreichend.
Das Team um Prof. Dr. Felix Distelmaier, Oberarzt der Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie am UKD, hat herausgefunden, dass bei dieser speziellen Erkrankung der Transport des Ausgangsstoffes für die Coenzym-Q10-Herstellung gestört ist. Dieser Ausgangsstoff heißt 4-Hydroxybenzoesäure (4-HBA). Wird er den Zellen direkt zugeführt, können sie wieder eigenes Coenzym Q10 bilden.
„Nach mehr als acht Jahren Forschung konnten wir zeigen, dass eine zusätzliche Gabe von 4-HBA die gestörte Energieproduktion der Zellen normalisieren kann. In Kooperation mit einer Arbeitsgruppe in Spanien haben wir diese Ergebnisse zunächst in einem Tierversuch mit Mäusen bestätigt – und anschließend erstmals erfolgreich bei einem betroffenen Kind angewendet“, erklärt Prof. Distelmaier.
Das Kind, das am UKD behandelt wird, profitiert seit über einem Jahr von der neuen Therapie – ohne bislang bekannte Nebenwirkungen. Für das Team am UKD ist dies ein Meilenstein: Erstmals konnte eine neue und zielgerichtete Behandlung bei dieser seltenen und schweren Erkrankung durchgeführt werden.
Noch kein Standardverfahren
Das UKD betont, dass es sich um eine sehr spezielle Therapie handelt, die aktuell nur in einem einzelnen Fall erfolgreich eingesetzt und dokumentiert wurde. „Die Behandlung mit 4-HBA kommt nur für eine ganz bestimmte Form der Erkrankung in Frage und ist kein allgemein verfügbares Medikament. Weitere Forschungsarbeiten sind dazu nötig“, so Prof. Distelmaier.
Das Universitätsklinikum Düsseldorf hat sich auch auf die Betreuung und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Krankheiten spezialisiert. Hier werden komplexe Krankheitsbilder in enger Zusammenarbeit zwischen Forschung und klinischer Versorgung untersucht und behandelt.
„Unser Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, auch bei sehr seltenen Krankheiten über viele Jahre intensiv zu forschen. Nur so können wir Betroffenen, für die es bislang keine wirksame Behandlung gab, neue Perspektiven eröffnen“, sagt Prof. Distelmaier.
Hintergrund zur Studie
Was ist Coenzym Q10?
Coenzym Q10 ist ein körpereigener Stoff, den die Zellen für die Energieproduktion benötigen. Fehlt er, können Organe wie Herz, Gehirn und Muskeln ihre Aufgaben nicht mehr richtig erfüllen.
Was ist der COQ2-Defekt?
Der COQ2-Defekt ist eine extrem seltene, genetisch bedingte Erkrankung. Dabei liegt ein Fehler in der „Bauanleitung“ für das Enzym COQ2 vor, das an der Herstellung von Coenzym Q10 beteiligt ist. Ohne ausreichend Coenzym Q10 kommt es zu schweren Störungen des Stoffwechsels, die oft lebensbedrohlich sind.
Neue Therapie mit 4-Hydroxybenzoesäure (4-HBA):
Das Forschungsteam konnte erstmals zeigen, dass die Gabe von 4-HBA die gestörte Produktion von Coenzym Q10 in Zellen wieder in Gang setzen kann. Nach erfolgreichen Tests im Labor und im Tiermodell wurde die Substanz erstmals bei einem betroffenen Kind angewendet – mit bisher anhaltend gutem Erfolg.
Originalarbeit in „Brain“ (Oxford University Press):
https://academic.oup.com/brain/advance-article/doi/10.1093/brain/awaf334/8250702?searchresult=1
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