Die hausärztliche Vertrautheit mit dem Patienten – eine mögliche Barriere bei der Erkennung kognitiver Defizite?

M. Pentzek, A. Fuchs, J. in der Schmitten, A. Wollny

Einleitung

Oftmals wird der besondere Kontakt des Hausarztes zu seinen Patienten (gutes Kennen, enge Arzt-Patient-Beziehung) als Vorteil gesehen, um kognitive Defizite früh zu erkennen. Begründet wird dies durch die Möglichkeit, bei regelmäßigen Kontakten auch leichte Veränderungen feststellen, Gedächtnisprobleme ansprechen und Angehörigenberichte einholen zu können. In zwei methodischen Schritten wurden mögliche Kehrseiten ergründet.

Methoden

Dreistufige Analyse narrativer Interviews mit Hausärzten zu Situationen und Erlebnissen mit an Demenz erkrankten Personen. Anschließende systematische Literaturrecherche qualitativer Studien mit Hausärzten zum Thema Demenz.

Ergebnisse

Aus Interviewanalysen und Literaturrecherche ergeben sich zwei Wege, auf welchen das Erkennen kognitiver Defizite durch eine enge Arzt-Patienten-Beziehung erschwert werden kann: Erstens kann das Gefühl des Hausarztes, einen Patienten gut zu kennen, dazu führen, an einem lange bekannten Bild vom Patienten festzuhalten und neue Defizite zu übersehen. Zweitens kann Nähe auch verhindern, dass man erste unspezifische Hinweise ernst nimmt und weiter verfolgt, z.B. um die Beziehung zu Patient und Angehörigen nicht zu belasten.

Diskussion

Bisher wurden Gefahren der hausärztlichen Nähe zum Patienten hauptsächlich im Rahmen der Demenz-Aufklärung beschrieben (Stichwort „Tabuisierung“). Unsere Ergebnisse zeigen, dass bereits bei der Erkennung kognitiver Defizite Probleme auftauchen können, wenn der Hausarzt Patient und Familie eng verbunden ist.

Schlussfolgerungen

Regelmäßige A-P-Kontakte und eine gute Kenntnis des Patienten können zwar einerseits die (Früh)Erkennung kognitiver Defizite erleichtern; die Kehrseite wurde bislang jedoch nicht thematisiert, entsprechende Studienergebnisse nicht ausreichend berücksichtigt. Hausärzte sollten für die Risiken einer engen A-P-Beziehung in Fortbildungs- und Interventionsmaßnahmen sensibilisiert werden.

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