Stammzellmobilisation
Untersuchungen zur Mobilisation hämatopoetischer Stammzellen durch Chemotherapie und die einmalige Applikation von pegyliertem G-CSF (Pegfilgrastim)
Für Patienten bis 65 Jahre stellt die Hochdosistherapie (HDT) mit anschließender autologer Blutstammzelltransplantation (PBSZT) den Goldstandard der Therapie dar [1;2]. Nach einer myeloablativen Chemotherapie werden autologe Blutstammzellen infundiert, um eine Rekonstitution der Hämatopoese und des Immunsystems zu gewährleisten. Durch extrakorporale Aphereseverfahren werden dazu etwa 2,0x106 CD34+ Zellen/kg KG gesammelt [3]. Um hämatopoetische Stamm- und Vorläuferzellen in das periphere Blut zu mobilisieren, kann eine zytotoxische Chemotherapie, hämatopoetische Wachstumsfaktoren wie G-CSF oder eine Kombination aus beidem verwendet werden [3-5].
Bei Patienten mit malignen Lymphomen konnte die einmalige Gabe einer Polyethylen-Glycol (PEG) - konjugierten Form des G-CSF (Pegfilgrastim) mit einer längeren Halbwertszeit die Zeit der therapieassoziierten Neutropenie nach einer konventionellen Chemotherapie in gleicher Weise verkürzen, wie eine mehrfache, tägliche G-CSF Applikation [6-8]. Daher lag es nahe, Pegfilgrastim auch für die Mobilisation autologer hämatopoetischer Vorläuferzellen einzusetzen. Zur Untersuchung des Mobilisationspotenzials von Pegfilgrastim applizierten wir im Rahmen einer Düsseldorfer Kohortenstudie zunächst 12 mg Pegfilgrastim bei 15 Patienten mit Multiplen Myelom (MM) im Anschluss an eine zytotoxische Chemotherapie mit Cyclophosphamid [9]. Wir wählten für diese Kohorte das Doppelte der üblichen Pegfilgrastimdosis, da zu diesem Zeitpunkt wenig über die Mobilisationseigenschaften des Pegfilgrastim bekannt war. Bei allen Patienten konnten durch im Median eine Apherese (Spanne: 1-3) ausreichend periphere Blutstammzellen für mindestens eine autologe PBSZT gewonnen werden. Im Vergleich zu einer historischen “matched pair“ Kontrollgruppe, die mit konventionellem G-CSF behandelt wurden, zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die maximale Höhe der CD34+ Zellen und die absolute Menge der gesammelten CD34+ Zellen/kg KG. Auch die Daten dieser beiden Patientengruppen zur Neutrophilenrekonstitution im Rahmen der durchgeführten HDT und autologen PBSZT waren identisch, ebenso wie die peripheren Zellwerte 100 Tage nach Transplantation. Auffällig war jedoch, dass die Zeit bis zur Neutrophilenrekonstitution in der Pegfilgrastimgruppe signifikant um zwei Tage kürzer war als in der historischen Kontrollgruppe und dies führte dazu, dass die Apherese im Median zwei Tage früher durchgeführt werden konnte.
| Mobilisationsdaten nach 4 g/m2 Cyclophosphamid | |||
| Variable | Pegfilgrastim -Gruppe | G-CSF - Gruppe | |
| 6 mg | 12 mg | ||
| Zytokin-Dosis * | |||
| Total (mg) | 6 | 12 | 6 (3.4-13.4) |
| ….Berechnet(µg/kg/Tag) | 8.2 (4.6-11.9) | ||
| Anzahl der Gaben * | 1 | 1 | 11 (8-15) |
| 1. Tag der Gabe | 4 (2-9) | 4 (3-6) | 4 (2-7) |
| Tage bis Leukozyten * > 1x 109/L | 12 (8-16) | 12 (7-14) | 14 (11-15) |
| Tage bis Thrombozyten > 20 x 109/L ….> 50 x 109/L | 11 (0-14) 13 (9-16) | 11 (10-15) 13 (10-17) | 12 (10-18) 14 (10-23) |
| Tag mit max. CD34+ im PB | 13 (11-18) | 12 (11-16) | 14 (12-18) |
| Max. CD34+ Zellzahl /µl PB | 131 (39-1084) | 85 (7-1055) | 75 (5-760) |
| * p < 0.05 | |||
Daten zur Stammzellmobilisierung von drei Kohorten mit Pegfilgrastim 6 mg (n=15), Pegfilgrastim 12 mg (n=15) und G-CSF (n=15)
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In einem zweiten Schritt verringerten wir die Pegfilgrastimdosis auf 6 mg und behandelten weitere 15 Patienten [10]. Die Mobilisationsergebnisse dieser Gruppe unterschieden sich nicht von den Ergebnissen der mit Pegfilgrastim 12mg behandelten Patienten und zeigten dieselben signifikanten Unterschiede im Vergleich zum historischen Kontrollkollektiv.
Die Schlussfolgerung aus diesen Ergebnissen war, dass bei Patienten mit MM eine Mobilisation hämatopoetischer Blutstammzellen mit Hilfe von Pegfilgrastim möglich ist. Die einmalige Applikation von 6 mg Pegfilgrastim war der täglichen Gabe von konventionellem G-CSF gleichwertig. Eine weitere Dosissteigerung des Pegfilgrastim schien keinen weiteren Nutzen zu haben. Vorteilhaft für die Pegfilgrastimgabe war die schnellere Neutrophilenrekonstitution, die mit einer Verringerung des Risikos für infektiologische Komplikationen in der Phase der Neutropenie einherging. Ebenso vorteilhaft war die Reduktion der erforderlichen Injektionen von im Median 11 (Spanne 8-15) auf eine einzige Applikation und damit eine potentielle Verbesserung der Patienten-„Compliance“. Mittlerweile konnten unsere Daten zur Pegfilgrastim induzierten zytotoxischen Blutstammzellmobilisation auch von anderen Gruppen bestätigt werden [11;12]. Aufgrund dieser Datenlage stellt die Stammzellmobilisation mit 6mg Pegfilgrastim den aktuellen Standard bei Patienten mit MM in unserer Klinik dar.
Genexpressionsanalyse von Blutstammzellen, die mit pegyliertem G-CSF (Pegfilgrastim) mobilisiert wurden
In einer weiteren Untersuchung gingen wir der Frage nach, ob mit Pegfilgrastim mobilisierte hämatopoetische Vorläuferzellen andere biologische Eigenschaften als mit herkömmlichem G-CSF stimulierte Zellen haben. Dazu führten wir Genexpressionsanalysen mit Hilfe von „Affimetrix Microarrays“ durch. Wir untersuchten immunomagnetisch isolierte CD34+ Zellen aus dem Leukaphereseprodukt von 16 Patienten mit MM, die nach zytotoxischer Chemotherapie mit Pegfilgrastim oder unkonjugiertem G-CSF behandelt worden waren [13]. In der Gruppe der mit Pegfilgrastim behandelten Patienten fanden wir eine höhere Expression von Genen, die mit einer frühen Hämatopoese und unreifen Vorläuferzellen einhergehen, wie HOXA9, MEIS1 and GATA3 [14-17]. Im Gegensatz dazu waren Gene, die mit Erythropoese und späteren Stufen der Myelopoese assoziiert sind, geringer exprimiert. Diese Ergebnisse wurden durch FACS-Analysen und funktionelle „Colony forming assays“ bestätigt. Bei den mit Pegfilgrastim behandelten Patienten fand sich eine höhere Anzahl an hämatopoetischen Stammzellen und „common myeloid progenitors“ und weniger Vorläuferzellen der Erythro- und Megakaryozytopoese. Ein Ergebnis, das auch in der funktionellen Analyse durch eine signifikant verringerte Ratio „burst forming unit-erthrocyte“ (BFU-E)/„colony forming unit–granulocyte/macrophage“ (CFU-GM) bei den Zellen der mit Pegfilgrastim behandelten Patienten bestätigt werden konnte.
Der erhöhte Anteil an frühen Vorläuferzellen nach Mobilisation mit Pegfilgrastim, wirkt sich möglicherweise auf die Transplantation aus, da diese Zellen eine höhere Kapazität zur hämatopoetischen Langzeit-Repopulation besitzen. Wir, wie auch andere [18], zeigten, dass die Leukozytenzahlen bei den mit Pegfilgrastim behandelten Patienten am Tag 100 post transplantationem mit 6,0 x 103/ml versus 3,3 x 103/ml signifikant (p=0,03) höher lagen als bei den Patienten, die mit konventionellen G-CSF behandelt wurden. Die Thrombozytenzahlen hingegen unterschieden sich trotz niedrigerer Anzahl der Megakaryozyten-Vorläuferzellen bei den mit Pegfilgrastim behandelten Patienten nicht.
Insgesamt unterscheidet sich das Genexpressionsmuster von Schlüsselgenen der Hämatopoese, obwohl Pegfilgrastim und unkonjugiertes G-CSF dieselbe aktive Substanz besitzen. Welchen Einfluss dies auf die Ergebnisse der HDT und autologen PBSZT haben wird, muss Ziel weiterer Untersuchungen an großen Patientenkollektiven sein.
Reference List
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[10] Bruns I, Steidl U, Kronenwett R, Fenk R, Graef T, Rohr UP, Neumann F, Fischer J, Scheid C, Hubel K, Haas R, Kobbe G: A single dose of 6 or 12 mg of pegfilgrastim for peripheral blood progenitor cell mobilization results in similar yields of CD34+ progenitors in patients with multiple myeloma. Transfusion 2006;46:180-185.
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