Supportive Therapie

Verringerung der Toxizität nach Hochdosistherapie und autologer Blutstammzelltransplantation durch den Einsatz von pegyliertem G-CSF (Pegfilgrastim) und Keratinozyten-Wachstumsfaktor (Palifermin)


Aufgrund unserer Erfahrungen aus der Studie zur Dosisintensivierung der Hochdosistherapie (HDT) und autologer Blutstammzelltransplantation (PBSZT)  [1] setzten wir uns in Düsseldorf zum Ziel, die Toxizität der HDT in Zukunft zu reduzieren. Eine verlängerte Zeit der Neutropenie sowie eine hochgradige Mukositis im intensivierten Therapiearm konnten als Hauptursachen für schwere infektiöse Komplikationen und die erhöhte TRM ausgemacht werden. Der Einsatz von Wachstumsfaktoren als supportive Maßnahmen zur Verbesserung der Nebenwirkungen lag daher nahe.

Auch ohne den Einsatz von hämatopoetischen Wachstumsfaktoren finden sich erhöhte G-CSF Spiegel bei Patienten während der frühen Phase der Knochenmarkaplasie nach HDT und autologer PBSZT [2]. Während der späteren Phase der hämatologischen Rekonstitution kann der Einsatz von G-CSF die Zeit bis zum Neutrophilenanstieg beschleunigen und auf diesem Wege die TRM verringern [3;4]. Bei heterogenen Patientenkollektiven mit unterschiedlichen hämatologischen Neoplasien konnte gezeigt werden, dass mit Pegfilgrastim eine vergleichbare Wirkung erreicht werden kann [5-7]. Pharmakokinetische Daten beim Menschen waren jedoch in dieser Situation nicht bekannt und drüber hinaus waren krankheitsspezifische Unterschiede nicht auszuschließen, da Patienten mit Multiplen Myelom (MM) niedrigere endogene G-CSF Spiegel während der Neutropenie aufweisen als andere Patienten [8]. Wir wollten daher den Einsatz von Pegfilgrastim in einem homogenen Kollektiv von Patienten mit MM untersuchen und gleichzeitig Pegfilgrastimspiegel im Plasma messen [9].

Wir applizierten daher bei 21 Patienten am Tag +1 nach HDT und autologer PBSZT 6mg Pegfilgrastim und führten tägliche Messungen des Blutbildes sowie der Pegfilgrastimspiegel durch. Die Pegfilgrastimspiegel stiegen am Tag nach Applikation prompt an und erreichten im Median Werte von 94 ng/ml (Spanne: 37-205). Die gemessenen Pegfilgrastimspiegel wurden durch die Zahl der Neutrophilen selbst reguliert. Einerseits korrelierten die maximal erreichten Pegfilgrastimspiegel streng invers (r=-0,7, p<0,001) mit der Anzahl der direkt nach Pegfilgrastimgabe stimulierten Neutrophilenzahl. Andererseits zeigten sich bei allen Patienten unverändert hohe Pegfilgrastimspiegel, die erst zum Zeitpunkt der beginnenden Neutrophilenrekonstitution abfielen. Bei allen Patienten mit Neutrophilenzahlen von mehr als 0,5 x 109/l fand sich ein Pegfilgrastimspiegel von weniger als 20 pg/ml.

Diese Beobachtung ist von besonderer Bedeutung, da bei einer Patientin am Tag der Neutrophilenregeneration eine Milzruptur bei normaler Milzgröße eintrat [10]. Es handelte sich dabei um eine seltene Nebenwirkung, die beim Einsatz von myeloischen Wachstumsfaktoren beschrieben ist [11]. Ein besonderes Risiko durch den Einsatz von Pegfilgrastim erscheint aufgrund der zum Zeitpunkt der Milzruptur niedrigen Pegfilgrastimspiegel eher unwahrscheinlich.

Klinisch verglichen wir unsere Kohorte von 21 Patienten mit einer historischen Kontrollgruppe von Patienten mit MM, die nach HDT keine Wachstumsfaktoren erhalten hatten und sich hinsichtlich Alter, Vortherapien und erhaltener CD 34+ Zellzahlen nicht unterschieden [9]. Es zeigte sich, dass die Patienten in der Pegfilgrastimgruppe eine signifikant (p < 0,0001) kürzere mediane Neutropeniedauer von 6 Tagen (Spanne: 5-11) im Vergleich zu 11 Tagen (Spanne: 8-26) aufwiesen.

Interessanterweise führte die um im Median 5 Tage verkürzte Neutropeniedauer jedoch nicht zu einer Verbesserung von klinischen Parametern wie Tage mit Fieber, Tage mit intravenösen Antibiotika, Tage mit Analgetika, Tage mit parenteraler Ernährung oder Tage im Krankenhaus. Dies lag daran, dass die meisten Patienten trotz früher Neutrophilenrekonstitution weiterhin an Mukositis litten und daher im Krankenhaus bleiben mussten. In einer zweiten Kohorte von 21 Patienten gaben wir daher neben Pegfilgrastim an Tag +1 den humanen Keratinozyten-Wachstumsfaktor Palifermin an Tag -6 bis -4, der die Dauer und Schwere der Mukositis nach HDT bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien verringern kann [12]. Durch diese kombinierte Behandlung benötigten die Patienten signifikant weniger Schmerztherapie mit Morphin und konnten im Median um 5 Tage früher entlassen werden als Patienten, die keine Wachstumfaktoren erhielten.

Zusammenfassend konnten wir zeigen, dass durch den einmaligen Einsatz von Pegfilgrastim nach HDT um den Faktor 100 höhere Spiegel im Blut erreicht wurden, als physiologisch in der Neutropenie zu beobachten sind [2] und um den Faktor 10 höhere Spiegel, als durch repetitive G-CSF Gaben erreicht werden können [13]. Es wurden dabei hohe Spiegel bis zum Zeitpunkt der Neutrophilenrekonstitution aufrecht erhalten und dann sicher abgebaut. Damit unterschied sich die Kinetik von dem bekannten pharmakokinetischen Profil bei Rhesusaffen, bei denen nach Pegfilgrastimapplikation ein kontinuierlich fallender Wirkspiegel nach HDT beschrieben wurde [14]. Die alleinige Gabe von Pegfilgrastim führte zu einer schnelleren Neutrophilenregeneration, war aber nicht ausreichend um klinische Nebenwirkungen signifikant zu reduzieren. Dies gelang erst mit der kombinierten Behandlung mit Pegfilgrastim und Palifermin. Diese Kombination bewirkte eine im Median nur 6 Tage andauernde Aplasiephase begleitet von einer nur gering ausgeprägten Mukositis, die eine normale Nahrungsaufnahme bei den meisten Patienten erlaubte. Diese Behandlung ist daher der Standard der supportiven Massnahmen im Rahmen einer HDT bei Patienten mit MM. Zukünftige Untersuchungen zielen auf eine Verminderung der Therapie-assoziierten Nausea und den Transfusionsbedarf an Erythrozytenkonzentraten ab.


Reference List

     [1]   Fenk R, Schneider P, Kropff M, Huenerlituerkoglu AN, Steidl U, Aul C, Hildebrandt B, Haas R, Heyll A, Kobbe G: High-dose idarubicin, cyclophosphamide and melphalan as conditioning for autologous stem cell transplantation increases treatment-related mortality in patients with multiple myeloma: results of a randomised study. Br J Haematol 2005;130:588-594.

     [2]   Haas R, Gericke G, Witt B, Cayeux S, Hunstein W: Increased serum levels of granulocyte colony-stimulating factor after autologous bone marrow or blood stem cell transplantation. Exp Hematol 1993;21:109-113.

     [3]   Valteau-Couanet D, Faucher C, Auperin A, Michon J, Milpied N, Boiron JM, Bourhis JH, Gisselbrecht C, Vernant JP, Pinna A, Bendahmane B, Delabarre F, Benhamou E: Cost effectiveness of day 5 G-CSF (Lenograstim) administration after PBSC transplantation: results of a SFGM-TC randomised trial. Bone Marrow Transplant 2005;36:547-552.

     [4]   Olivieri A, Scortechini I, Capelli D, Montanari M, Lucesole M, Gini G, Troiani M, Offidani M, Poloni A, Masia MC, Raggetti GM, Leoni P: Combined administration of alpha-erythropoietin and filgrastim can improve the outcome and cost balance of autologous stem cell transplantation in patients with lymphoproliferative disorders. Bone Marrow Transplant 2004;34:693-702.

     [5]   Staber PB, Holub R, Linkesch W, Schmidt H, Neumeister P: Fixed-dose single administration of Pegfilgrastim vs daily Filgrastim in patients with haematological malignancies undergoing autologous peripheral blood stem cell transplantation. Bone Marrow Transplant 2005;35:889-893.

     [6]   Jagasia MH, Greer JP, Morgan DS, Mineishi S, Kassim AA, Ruffner KL, Chen H, Schuening FG: Pegfilgrastim after high-dose chemotherapy and autologous peripheral blood stem cell transplant: phase II study. Bone Marrow Transplant 2005;35:1165-1169.

     [7]   Vanstraelen G, Frere P, Ngirabacu MC, Willems E, Fillet G, Beguin Y: Pegfilgrastim compared with Filgrastim after autologous hematopoietic peripheral blood stem cell transplantation. Exp Hematol 2006;34:382-388.

     [8]   Morris TC, Magill MK, Drake M, Price S, Ranaghan L, Bridget S, Jordan AE, Irvine AE: The endogenous granulocyte colony-stimulating factor response following autologous peripheral blood stem cell transplantation is impaired in patients with myeloma. Br J Haematol 2002;117:646-649.

     [9]   Fenk R, Hieronimus N, Steidl U, Bruns I, Graef T, Zohren F, Ruf L, Haas R, Kobbe G: Sustained G-CSF plasma levels following administration of pegfilgrastim fasten neutrophil reconstitution after high-dose chemotherapy and autologous blood stem cell transplantation in patients with multiple myeloma. Exp Hematol 2006;34:1296-1302.

   [10]   Kuendgen A, Fenk R, Bruns I, Dommach M, Schutte A, Engers R, Hunerliturkoglu A, Haas R, Kobbe G: Splenic rupture following administration of pegfilgrastim in a patient with multiple myeloma undergoing autologous peripheral blood stem cell transplantation. Bone Marrow Transplant 2006;38:69-70.

   [11]   Nuamah NM, Goker H, Kilic YA, Dagmoura H, Cakmak A: Spontaneous splenic rupture in a healthy allogeneic donor of peripheral-blood stem cell following the administration of granulocyte colony-stimulating factor (g-csf). A case report and review of the literature. Haematologica 2006;91:ECR08.

   [12]   Spielberger R, Stiff P, Bensinger W, Gentile T, Weisdorf D, Kewalramani T, Shea T, Yanovich S, Hansen K, Noga S, McCarty J, LeMaistre CF, Sung EC, Blazar BR, Elhardt D, Chen MG, Emmanouilides C: Palifermin for oral mucositis after intensive therapy for hematologic cancers. N Engl J Med 16-12-2004;351:2590-2598.

   [13]   Piccirillo N, Sica S, Laurenti L, Chiusolo P, La Barbera EO, Sora F, Leone G: Optimal timing of G-CSF administration after CD34+ immunoselected peripheral blood progenitor cell transplantation. Bone Marrow Transplant 1999;23:1245-1250.

   [14]   Farese AM, Yang BB, Roskos L, Stead RB, MacVittie TJ: Pegfilgrastim, a sustained-duration form of filgrastim, significantly improves neutrophil recovery after autologous marrow transplantation in rhesus macaques. Bone Marrow Transplant 2003;32:399-404.

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