Resignation und Rückzug - Einstellungen von Hausärzten zu Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes

E. Gummersbach, M. Pentzek, S. Wilm, A. Icks, H.-H. Abholz, A. Wollny

Einleitung:

In jeder Hausarztpraxis gibt es Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus Typ 2, deren Blutzuckerwerte sich auch durch intensive Bemühungen nicht verbessern lassen. Die Betreuung dieser Patienten bedeutet für die Hausärzte eine ständige Konfrontation mit den Grenzen ihrer Möglichkeiten. Ziel unserer Studie war es herauszufinden, welche Einstellungen sich bei Hausärzten solchen Patienten gegenüber finden lassen.

Methode:

In der Region Nordrhein wurden offene, narrative Interviews mit 20 zufällig ausgewählten Hausärzten zu zwei Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus geführt. Die im Mittel 45 Minuten langen Interviews wurden vollständig transkribiert. Fünf Interviews wurden im Sinne einer maximalen Kontrastierung ausgewählt und offen kodiert (Grounded Theory). Die Ergebnisse wurden miteinander in Beziehung gesetzt sowie fallbezogen und fallübergreifend analysiert.

Ergebnisse:

In den Interviews zeigt sich, dass Ärzte durch das Scheitern in der Betreuung ihrer Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes resigniert haben. Sie übernehmen eine passive Rolle; aktives Eingreifen erwarten sie eher von anderen Institutionen wie Schwerpunktpraxen und Schulungseinrichtungen als von sich oder den Patienten. Um das Gefühl zu haben, überhaupt etwas zu tun, wiederholen sie gebetsmühlenartig ihre Ermahnungen. Sie sind persönlich betroffen und fühlen sich durch die Hilflosigkeit und das Gefühl der Sinnlosigkeit an die Betreuung Suchtkranker erinnert.

Diskussion:

Ärzte lassen sich von ihren schlecht eingestellten Diabetikern in ein festes Rollensystem einbinden. Anstatt weiterhin unter Einbindung der Patienten individuelle Behandlungskonzepte zu entwickeln, haben sie resigniert und rechtfertigen sich. Die Rollenverteilung erinnert sie an die  Betreuung Suchtkranker: Sie wissen, was gut für die Patienten ist, diese tun aber was sie wollen. Sie sehen keinen Ausweg, unterstützen aber durch ihre Passivität dieses System.

Schlussfolgerungen:

Was kann man als Arzt aus einer Rollenannahme wie bei der Betreuung eines Suchtpatienten lernen? Unter anderem: Distanz halten, Unterstützung anbieten, aber dem Patienten die Entscheidung überlassen. Dies würde die eigene Persönlichkeit schützen und dem Patienten zu eigenverantwortlichem Handeln verhelfen. Ob dies Auswirkungen auf die Behandlung von Patienten mit Diabetes haben kann, sollte weiter untersucht werden.

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