Ungleichbehandlung: Erfahrungen von Migranten mit Hausärzten in Deutschland. Eine qualitative Studie

Autoren: Becker N., Koc G., Yilmaz M., Gerlach H., Abholz H.H.

Einleitung:

In Deutschland haben etwa 15 Mio. Menschen einen Migrationshintergrund. Die Datenlage zur medizinischen Versorgung dieser Menschen ist nach wie vor unzureichend. Erfahrungen von Migranten in Bezug auf das deutsche Gesundheitssystem und speziell mit Hausärzten liegen kaum vor.

Methoden :

Fünf Fokusgruppen mit jeweils maximal 15 Patienten mit türkischem und kongolesischem Migrationshintergrund (n=78) wurden durchgeführt. Das Material wurde aufgenommen und transkribiert, um inhaltsanalytisch (nach Mayring) bearbeitet zu werden. Die Kategorienbildung erfolgte induktiv, d.h. erst einmal offen am Material durch vier unabhängige Auswerter. Die Konsensfindung folgte in der Gruppendiskussion.

Ergebnisse:

Wir fanden sechs zentrale Kategorien mit Unterkategorien:

1. Kommunikation (Missverständnisse, mangelnder Respekt); 2. Arzt-Patient Beziehung (Erwartungen an die Ärzte, Eigen -und Fremdwahrnehmung, fehlende Professionalität); 3. Diskriminierung (präformierte Meinungen/ Ungleichbehandlung); 4. Krankheitskonzepte (in Bezug auf Kultur); 5. Systemprobleme und 6. Verbesserungsvorschläge. Die Ergebnisse auf der Basis der Kategorien lassen sich inhaltlich wie folgt zusammenfassen:

Hinter einer anfänglich höflichen Fassade kritisierten die Patienten Chancenungleichheit im deutschen System und das unabhängig von ihrem sozialen Status und ihrer Herkunft. Zunächst würden viele Ärzte sowieso zwischen Kassen -und Privatpatienten unterscheiden. Als „Ausländer“ mit z.B. anderer Hautfarbe bzw. Sprachschwierigkeiten würden sie darüber hinaus vielfach benachteiligt. Viel schwerwiegender als Sprachprobleme seien aber mangelnde Empathie, Zeitmangel, unfreundlichen Umgehensweisen, unzureichende Erklärungen und Vorurteile der Ärzte gegenüber Menschen aus anderen Kulturen. Dies führe häufig zu Vertrauensverlust und nicht selten zum Arztwechsel. Unserer Teilnehmer wünschten sich sowohl einen sensibleren Umgang mit Menschen aus anderen Kulturkreisen, als auch mehr Wissen der Ärzte über migrationspezifischen Inhalte. Das Thema Diskriminierung wurde am deutlichsten in den Fokusgruppen der Schwarzen Migranten artikuliert.

Diskussion:

Es lässt sich nicht entscheiden, ob die angesprochenen Mängel ähnlich auch von deutschen Patienten genannt würden. Sicherlich fallen aber Missstände besonders auf, wenn man quasi von „Außen“ in ein „System“ schaut.

Schlussfolgerungen:

Wir sehen dringend Handlungsbedarf für die ärztliche Weiterbildung in interkultureller Kompetenz bzw. Kommunikation.

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