Die Hausärztliche Anordnung für den Notfall (HAnNo) für Bewohner von Senioreneinrichtungen: Bindeglied zwischen Patientenverfügung und Therapieentscheidung im Krisenfall

in der Schmitten J (1), Rothärmel S (2), Marckmann G (3)

1Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, 2Institut für Bio-, Gesundheits- und Medizinrecht, Universität Augsburg, 3Institut für Ethik und Geschichte in der Medizin, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Hintergrund

Im Notfall bleiben Patientenverfügungen meist ohne Wirkung auf das Personal von Altenheim, Rettungsdienst und Krankenhaus. Ein in den USA erfolgreiches Konzept ist die Verbreitung ärztlicher Anordnungen bezüglich lebensverlängernder Behandlung (POLST). Wir berichten über die Entwicklung und Implementation einer auf hiesige Verhältnisse angepassten Variante, der Hausärztlichen Anordnung für den Notfall (HAnNo).

Methoden

Im Rahmen der regionalen Implementation eines advance care planning Programms in Altenheimen wurde im Dialog mit den regionalen Akteuren in einem mehrstufigen Prozess ein Formular entwickelt, das den notfall-relevanten Teil einer Patientenverfügung repräsentiert (HAnNo). Vorliegende HAnNo’s werden auf hinsichtlich korrekter Verwendung und gewählter Präferenz analysiert. Ferner erhielten 18 teils geschulte, teils informierte Mitarbeiter der Interventions-Altenheime das neue Instrument mit einem Fragebogen.

Ergebnisse

In dieser vorläufigen Auswertung konnten 57 HAnNos analysiert werden, davon waren 7 falsch ausgefüllt (ungültig), von den übrigen waren 21 von den Bewohnern selbst unterschrieben, 27 von den gesetzlichen Vertretern. In 31 der 50 HAnNos wurde eine lebensverlängernde Therapie grundsätzlich (mit unterschiedlichen Einschränkungen) zugelassen, während in den anderen 19 Erklärungen ein rein palliatives Behandlungsziel festgelegt wurde, d.h. Verzicht auf jegliche Therapie mit der Intention der Lebensverlängerung. Von den 31, die mit lebensverlängernder Therapie grundsätzlich einverstanden waren, optierte 1 Fall für uneingeschränkte Therapie einschließlich der Reanimation. In 4 Fällen wurde nur die Wiederbelebung, in 5 Fällen Wiederbelebung und invasive Beatmung und in 13 Fällen zusätzlich eine Verlegung auf Intensivstation ausgeschlossen. 8 HAnNos legten fest, dass lebensverlängernde Therapie nur noch mit ambulanten Mitteln erfolgen sollte (keine Verlegung ins Krankenhaus mit dem Ziel der Lebensverlängerung).

Bei der Befragung von im Projekt geschulten Heimmitarbeitern befürworteten 8 von 9 Antwortenden die künftige Verwendung von HAnNos im eigenen Heim und ebenso viele ihre deutschlandweite Einführung in Altenheimen.

Diskussion

Die vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die HAnNos von den Bewohnern bzw. ihren Vertretern durchaus differenziert genutzt wurden und bei den beteiligten Pflegenden auf weitgehende Zustimmung stießen. Pflegende, Rettungsassistenten und Ärzte der Modellregion können sich auch im Notfall an den in der HAnNo dokumentierten konkreten Präferenzen orientieren – eine in Deutschland einmalige Situation. Aufgrund der möglichen irreversiblen Konsequenzen der darin festgelegten Therapiegrenzen sind HAnNos jedoch nur im Rahmen eines qualifizierten Beratungsprozesses sowie einer Schulung aller beteiligten Akteure vorstellbar.

Schlussfolgerung:

HAnNo’s erscheinen geeignet, Patientenverfügungen auch im Notfall die gesetzlich verankerte Geltung zu verschaffen. Weitere Forschung sollte Validität, Beachtung und klinische Konsequenzen von HAnNo’s untersuchen.

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