Health Humanities

Die Düsseldorfer Health Humanities erkunden die Grenzbereiche zwischen Medizin und den Geisteswissenschaften. Sie verstehen und verorten Medizin als Teil einer wissenschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung und dienen so der interdisziplinären Diskussion. Reflexion, fachliche, aber auch persönliche Weiterentwicklung stehen im Zentrum eines Fachgebiets, das medizinisches Handeln und Denken in einen größeren Kontext einordnet und so kontroverse Debatten und produktive interdisziplinäre Projekte ermöglicht. Das vielseitige Veranstaltungsangebot der Health Humanities richtet sich an Studierende aller Düsseldorfer Fakultäten und greift aktuelle Streitfragen und Debatten über Medizin und Gesundheit auf, um sie historisch, ethisch, theoretisch und im Prisma der Kunst zu reflektieren.

Aktuelle Veranstaltungen im Sommersemester 2024 (Anmeldungen über das HIS-LSF)

Online-Ringvorlesung: Die Sprechstunde. Streifragen und Debatten der Medizin für (Nicht-)Mediziner*innen

Diese Ringvorlesung bietet eine Bühne für den Dialog zwischen Medizin und den Humanities und richtet sich an ein interdisziplinär interessiertes Publikum. Zu jedem Termin werden Debatten und Streiftragen der Medizin aufgegriffen, um sie zusammen mit ausgewiesenen Expert*innen zu diskutieren. Ausgespielt wird dabei das Methodenspektrum des Querschnittfachs Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Gegenstand der einzelnen Veranstaltungen können aktuelle Debatten um zentrale Begriffe oder Konzepte wie etwa „Evidenzbasierte Medizin“ oder „Verteilungsgerechtigkeit“ ebenso sein wie klassische medizinische Aufgabenfelder und Themen, die einmal eine medizinische Bedeutungsdimension hatten. Beispiele für Letzteres bieten geschichtliche Vorgänge der medizinischen, oft pathologisierenden Aneignung oder Umdeutung des Kulturellen und Sozialen.
 

Online-Ringvorlesung: Erfahrungsumbrüche in der Medizin

Mit der Corona-Pandemie hat die Frage nach dem Einfluss fundamentaler gesellschaftlicher Erschütterungen auf medizinisches Denken und das praktisch-ärztliche Handeln neue Aktualität erfahren. Die Ringvorlesung nimmt dies zum Anlass, diesem Wechselverhältnis anhand aufschlussreicher Beispiele aus der Geschichte der modernen Medizin näher nachzugehen. Dabei soll es sowohl um medizinische Paradigmenwechsel im klassischen Sinne gehen als auch um solche Erfahrungsumbrüche, die nicht unbedingt den Einsturz ganzer Denkgebäude aufgrund neuer Forschungsergebnisse nach sich zogen, aber das Denken und Handeln dennoch nachhaltig geprägt haben. Insgesamt will die Vorlesung damit neue Möglichkeiten der Periodisierung medizinischen Denkens zwischen dem Aufkommen der modernen Medizin im 19. Jahrhundert und der Medizin der Gegenwart sondieren.
 

Ringvorlesung: Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin

Die Vorlesung behandelt ausgewählte Themen der Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, die von Fragen der Professionsgeschichte- und Ethik der Ärzteschaft über die Sozialgeschichte der Medizin bis hin zu Fragen der Öffentlichen Gesundheit, der Sterbehilfe und der Forschungsethik in der Medizin reichen. Die Veranstaltung bietet einen Einstieg in den Bereich der Health Humanities und stellt Aspekte von Geschichte, Wissenschaftstheorie und Ethik der Medizin sowie kulturwissenschaftliche Bezüge her.


Seminar: Koloniales Erbe der Medizin

Das Seminar verfolgt das Ziel, einen Überblick über wichtige Fragestellungen in der aktuellen Forschung zur Geschichte der Verflechtung von Kolonialismus und Medizin im Zeitalter des Imperialismus zu gewinnen und das Fortwirken kolonialer Bezüge und Denkmuster in der Medizin der postkolonialen Epoche in den Blick zu nehmen. Besonderes Augenmerk gilt den erinnerungskulturellen Kontroversen seit den 2000er Jahren sowie Initiativen aus Medizin und Zivilgesellschaft, koloniale Hinterlassenschaften im medizinischen Alltag der Gegenwart zu einem Thema zu machen.


Blockseminar: Norm und Normalität. Eine Wissenschaftsgeschichte der Moderne

Seit dem Beginn der modernen Medizin durchzieht medizinisches Denken ein „radikales Ordnungsdenken“ (Lutz Raphael). Das gilt zumal für die Identifizierung der Grenzbereiche von Normalität und Abweichung. Das Seminar führt auf der Grundlage medizintheoretischer Klassiker sowie aufschlussreicher Beispiele aus der Geschichte der Sexualmedizin den enormen Wandel von Norm und Normalität in den letzten rund einhundert Jahren vor Augen und fragt danach, was die darin eingelagerten Konflikte außerdem noch über die jeweiligen Gegenwarten aussagen.


Theaterprojekt: Theater und Medizin

Der Tod als erbitterter Feind der Medizin und ein Skandal am Krankenbett beschäftigen uns in dem zweiten Teil des Theaterprojekts. Aufbauend auf Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi" nähern wir uns der Frage an, wie weit Ärzte gehen dürfen, ohne gegen die ungeschriebenen Regeln ihres Berufstandes und der Gesellschaft zu verstoßen. So findet sich der engagierte Internist Professor Bernhardi plötzlich in einem Seiltanz zwischen Intrigen, Machtkämpfen, politischen und gesellschaftlichen Ränkespielen und der Frage nach dem richtigen und ethischen Handeln wieder. In diesem Seminar werden Ängste, Emotionen und Grenzsituationen auf die Bühne gebracht, ärztliches Verhalten reflektiert und kreative Freiräume eröffnet. Den krönenden Abschluss des Projekts bildet die Aufführung unseres Theaterstücks am Ende des Sommersemester 2024.

 

Publikationen zu thematischen Ringvorlesungen

„Sexualitäten und Geschlechter“ (2024)

Basierend auf einer gleichnamigen Ringvorlesung, die im Sommersemester 2022 im Rahmen der Düsseldorfer Health Humanities angeboten wurde, führt der von Richard Kühl, Daniela Link und Lisa Heiberger herausgegebene Sammelband „Sexualitäten und Geschlechter. Historische Perspektiven im Wandel“ in ein Forschungsfeld, das aktuell enorm expandiert. Im Zentrum steht dabei der qualitativ neuartige, deutlich an Fahrt aufnehmende Dialog zwischen Sexual- und Geschlechtergeschichte. Die 14 Beiträge des Sammelbands, der im Februar 2024 im Bielefelder trancript-Verlag erschien, führen anhand von aufschlussreichen Beispielen durch das gesamte 20. Jahrhundert.

Weitere Sammelbände zu den thematischen Ringvorlesungen der Düsseldorfer Health Humanities sind in Planung.

 

Theaterprojekt

Grenzenlos (Juli 2023)

Am 8. Juli fand die Premiere des interdisziplinären Medizintheaters der Heinrich-Heine-Universität (HHU) statt. Studierende verschiedener Fachrichtungen spielen „Grenzenlos“, eine Medizincollage des Autorenkollektivs „Heinrichs Dorftheater“.
Die Collage begleitet die nur mäßig begabte Regisseurin Renée-Christin Sattlhuber und ihr Ensemble bei der Suche nach den Grenzen der Medizin und der Unverwechselbarkeit der künstlerischen Darstellung. Doch zwischen dystopischem Forschungsbestreben, betrügerischen Wissenschaftlern, Schönheitswahn und fragwürdigen Ärztecharakteren lösen sich nicht nur die Grenzen der Medizin, sondern auch die zwischen Stück und Wirklichkeit zunehmend auf. Sattlhubers Assistentin Jenny Summer kann das Ensemble nur mit Mühe zusammenhalten. Ihr Star Heinz Schreier und die ehemalige Burgschauspielerin Gabi Lavoir drohen in ihrer gegenseitigen Konkurrenz zu ersticken und die Assistentin selbst erliegt den Verlockungen der scheinbar grenzenlosen medizinischen Möglichkeiten. Zwischen Proben, Seminaren und Prüfungen ist es die Medizinstudentin Clara Bovenschulte, die sich weder von den Ränkespielen alternder Stars noch von gestressten Mitstudierenden schockieren lässt. Doch was ist, wenn am Ende selbst sie Teil einer grenzenlosen Medizin wird, die ihren eigenen Gesetzen folgt? Voller Elan, Witz, begleitet von ernsten Tönen, aber auch mit einer ordentlichen Portion Selbstironie hinterfragen Studierende der Medizinischen und der Philosophischen Fakultät der HHU die Grenzen der Medizin und die Erwartungshaltung von Ärzten und Patienten.

Dr. Knock (Juli 2022)

Das interdisziplinäre Medizintheater der HHU spielte Ende Juli 2022 die sarkastisch-kritische Medizinsatire von Jules Romains „Dr. Knock oder Der Triumph der Medizin“. Das Stück zeigt, wie der durchtriebene Mediziner eine Gesellschaft Kranker erschafft. Lange bevor Begriffe wie Medikalisierung, individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL-Leistungen), Medizinmanagement oder Gesundheitsmarketing geprägt wurden, brachte Romains die grenzenlose Medizin auf die Bühne. So wird aus der gesunden Bäuerin binnen kürzester Zeit die bettlägerige Dauerpatientin, die Lehrerin wird zur Zentrale für gesundheitliche Aufklärung und die resolute Hotelbetreiberin wird zur erfolgreichen Leiterin eines Krankenhauses. Ungebrochen aktuell, kritisch, lustig und spritzig setzen sich Studierende der Medizinischen und der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität mit zentralen Fragen des Stücks auseinander: Was macht Mediziner*innen aus? Wo sind die Grenzen medizinischen Wirkens? Wie weit dürfen Ärzt*innen gehen? Massenpsychose, Verführbarkeit und eine große Portion schwarzer Humor machen diese Medizinsatire zu einem besonderen Erlebnis, bei dem den Zuschauer*innen das Lachen manchmal im Halse stecken bleibt.

 

Ansprechpartner:

Dr. Richard Kühl (richard.kuehl@hhu.de)
Dr. Daniela Link (daniela.link@hhu.de)

Twitter: @HealthHumHHu

Instagram: @health.humanities_hhu

 

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