2009
Lenalidomid als Erhaltungstherapie
Düsseldorfer Studienkonzept 2009
Viele Erkenntnisse aus den vorangegangenen Studien und Untersuchungen bei Patienten mit Multiplen Myelom (MM) fliesen in das aktuelle Düsseldorferstudienkonzept ein. Die wichtigste Änderung wird jedoch die Erhaltungstherapie nach Hochdosistherapie (HDT) und autologer Blutstammzelltransplantation (PBSZT) betreffen. Zwar hatte sich in mehreren Studien ein klarer Vorteil für eine Erhaltungstherapie mit Thalidomid hinsichtlich einer längeren Remissionsdauer und eines verlängerten Gesamtüberlebens gezeigt, jedoch war diese Therapie auch mit erheblichen Nebenwirkungen assoziiert. Dabei stand eine langsam fortschreitende periphere Polyneuropathie im Vordergrund, die bei vielen Patienten zuerst zur Dosisreduktionen und schließlich zum Therapieabbruch führte. Die Abbruchraten lagen dabei je nach Studie zwischen 26% und 76% [1-4]. Aus diesen Daten zogen wir die Konsequenz eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid zu planen. Lenalidomid ist ein Derivat des Thalidomids mit ähnlicher Wirkung.
Die Wirksamkeit des Lenalidomid „in vitro“ ist sogar 300 mal höher als bei Thalidomid [5]. Zudem ist Lenalidomid bei Patienten mit chromosomalen Aberrationen ebenso wirksam wie bei Patienten mit normalem Karyotyp [6]. Eine Therapie mit Thalidomid hingegen erzielt bei Patienten mit Chromosomenaberrationen schlechtere Ergebnisse als bei Patienten ohne das Vorhandensein dieser ungünstigen Prognosefaktoren. Man kann daher annehmen, dass Lenalidomid in gleicher, wenn nicht gar in besserer Weise wirksam ist, insbesondere bei den Patienten mit schlechten Prognosefaktoren. Gleichzeitig aber ist Lenalidomid nebenswirkungsärmer als Thalidomid [7;8]. Insbesondere die schweren, für den Behandlungsabbruch hauptverantwortlichen Polyneuropathien scheinen bei diesem Präparat weniger ausgeprägt zu sein, dafür muss eine gewisse Myelotoxizität in Kauf genommen werden. Man kann daher davon ausgehen, dass eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid zu einer geringeren Abbruchrate führt und dass dadurch mehr Patienten länger mit Lenalidomid behandelt werden können. Allein durch diesen Effekt sollten sich die Behandlungsergebnisse verbessern, da zumindest für Thalidomid in der Rezidivsituation bekannt ist, dass Patienten mit nebenwirkungsbedingten Therapieabbrüchen ein schlechteres Therapieergebnis erzielen, also eine Dosiswirkungsbeziehung besteht [9]. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Lebensqualität der Patienten durch die besser verträgliche Therapie steigen wird. Aus diesem Grunde werden wir begleitend auch Untersuchungen zur Lebensqualität mit normierten Fragebögen durchführen.
Zum aktuellen Zeitpunkt ist die Rekrutierungsphase einer französischen Studie abgeschlossen, die nach HDT eine zweimonatige Konsolidation mit 25 mg Lenalidomid anschließt und im Anschluss daran die Patienten zwischen einer Erhaltungstherapie mit 10 mg Lenalidomid bis zum Progress der Erkrankung versus Placebo randomisiert. Die Ergebnisse dieser Studie werden mit Spannung erwartet. Die Dosis des Lenalidomids wurde in der französischen Studie willkürlich festgelegt. Um die geeignete Dosis zu ermitteln, behandeln wir daher in der aktuellen Düsseldorfer LenaMain-Studie 2008 alle Patienten mit einer sechsmonatigen Konsolidierung mit 25 mg und randomisieren anschließend zwischen einer hohen (25mg) und einer niedrigen (5mg) Dosierung des Lenalidomids bis zum Progress der Erkrankung.
Das Studienkonzept durch eine Ansprechen-orientierte Induktionstherapie ergänzt, die Stammzellmobilisierung erfolgt gemäß unseren Untersuchungen mit 6 mg Pegfilgrastim und die supportive Therapie während der HDT wird mit einmaliger Pegfilgrastim- und dreimaliger Palifermin-Applikation durchgeführt. Das wissenschaftliche Begleitprogramm umfasst die Bestimmung der MRD vor und nach HDT sowie während Konsolidation und Erhaltungstherapie im Knochenmark und peripheren Blut. Dabei soll untersucht werden, ob eine Erniedrigung der MRD-Werte durch neue Substanzen in der Induktions- und Erhaltungstherapie dieselbe prognostische Bedeutung besitzt wie die gleiche Erniedrigung durch alleinige Chemotherapie. Zudem soll das Ausmaß der Erniedrigung der MRD durch die neuen Substanzen im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie untersucht werden. Zur Verbesserung der bildgebenden Diagnostik werden neben den routinemäßigen CT-Untersuchungen auch Ganzkörper-MRT-Untersuchungen durchgeführt, mit dem Ziel die beiden Methoden hinsichtlich ihrer Detektionsraten von Osteolysen und extramedullären Raumforderungen zu vergleichen. Insbesondere soll aber die Tumoraktivität im MRT gemessen werden und eine Remissionsbeurteilung mittels MRT mit den klinischen Verläufen korreliert werden. Neben diesen klinisch-praktisch orientierten Begleitprogramm soll aber auch Grundlagen-orientiert der Pathomechanismus der durch Lenalidomid hervorgerufenen Myelosuppression mit Hilfe von Genexpressionsanalysen an gesunden CD34+ Stammzellen während einer Lenalidomid-Therapie näher beleuchtet werden.
Es ist geplant 196 Patienten zu behandeln und den ersten Patienten im Januar 2008 zu inkludieren. Mit der Düsseldorfer LenaMain-Studie 2008 ist somit ein weiterer Stein gesetzt auf dem Weg die Hochdosistherapie mit autologer PBSZT und in der Folge die Prognose der Patienten mit Multiplen Myelom weiter zu verbessern.
Reference List
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[9] Lilienfeld-Toal M Hahn-Ast C Bertolini F Bila J Boulin M Oakervee H Cibeira T Cook G, Fenk R, Waage A Glasmacher A. Longer duration of thalidomide monotherapy results in improved outcome in relapsed/refractory multiple myeloma. Blood [aabstract] 110, 2725. 2007.