Geschichte der Westdeutschen Kieferklinik

Lazarett für kieferverletzte Soldaten

Die Gründung der Westdeutschen Kieferklinik geht auf den Düsseldorfer Zahnarzt Christian Bruhn zurück. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges stellte Bruhn die von ihm genutzten Häuser in der Nähe des Düsseldorfer Hofgartens als Privatlazarett zur Verfügung. Diese Einrichtung fand so hohe Anerkennung, dass sie im Jahre 1914 in das Königliche Reservelazarett I Düsseldorf übernommen wurde. Unter der Leitung Bruhns wurden hier hauptsächlich "kieferverletzte Soldaten" behandelt. Zum Ende des Krieges bestand das Lazarett aus 6 Abteilungen und nicht weniger als 682 Betten.

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs bemühte sich Bruhn um den Fortbestand seiner Klinik. So wurde 1917 auf sein Betreiben hin der Verein "Westdeutsche Kieferklinik" gegründet, dessen Aufgabe darin bestand, die Weiterführung des Kriegslazaretts als Stätte der Krankenversorgung zu sichern und darüber hinaus die Forschung und Lehre auf dem gesamten Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu entwickeln.

Zwischen den Kriegen

Nach Ende des Ersten Weltkriegs mussten alle Lazarette aufgelöst werden. Der Verein"Westdeutsche Kieferklinik" übernahm die Einrichtungen und baute sie in der Sternstraße zu einer großen Fachklinik mit dem Namen "Westdeutsche Kieferklinik" auf. Um 1920 arbeiteten 12 Ärzte und Zahnärzte an dieser über 100 Betten verfügenden Klinik.

1923 wurde die Akademie für praktische Medizin in die Medizinische Akademie Düsseldorf umgewandelt. Mit dem Übergang der Westdeutschen Kieferklinik in den Besitz der Stadt Düsseldorf wurde sie Teil der Medizinischen Akademie. Nach der Einrichtung einer zahnmedizinischen Ambulanz und der Schaffung von 10 Arbeitsplätzen konnten ab 1932 Studierende der Zahnmedizin aufgenommen werden.

Nach der Emeritierung Bruhns im Jahre 1934 wurde August Lindemann als Ordinarius für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Direktor der Westdeutschen Kieferklinik neu berufen.

Zweiter Weltkrieg - wieder Lazarett

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Klinik wieder in ein Lazarett umgewandelt. Die Leitung des zivilen Klinikbetriebes oblag Herbert Hofrath (1889-1952).

1942 starb Bruhn im Alter von 74 Jahren. Ein Jahr später wurde die Westdeutsche Kieferklinik durch Bombenangriffe zerstört und musste nach Düsseldorf Grafenberg ausgelagert werden.

Nachkriegszeit und Neubeginn

Nach dem Ende des Krieges wurde die Westdeutsche Kieferklinik in das ehemalige Pflegeheim der Stadt Düsseldorf an der Himmelgeisterstraße verlegt, wo sie sich auch noch befindet. Auf diese Weise konnte die Klinik auch räumlich in die Medizinische Akademie integriert werden.

1950 wurde Lindemann emeritiert. Als sein Nachfolger wurde Karl Häupl berufen. Die Medizinische Akademie verfolgte damit die Absicht, neben der Kiefer- und Gesichtschirurgie auch die zahnmedizinischen Kerndisziplinen Zahnärztliche Chirurgie, Zahnerhaltung, Zahnärztliche Prothetik und Kieferorthopädie zu stärken und zu verselbständigen.

Moderne Zahnheilkunde

Der bei seinem Amtsantritt bereits 58-jährige Häupl legte die Schwerpunkte seiner klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit auf die Kieferorthopädie - und hier insbesondere auf die Funktionskieferorthopädie - sowie die Zahnärztliche Prothetik. 1957 wurde er zum Rektor der Medizinischen Akademie gewählt.

Das immer umfangreicher werdende Spektrum der modernen Zahnheilkunde machte die Entwicklung eigenständiger Fachbereiche erforderlich. Dies wurde durch die Ernennung neuer Leiter auch nach außen hin dokumentiert. Die Leitung der Zahnärztlichen Chirurgie wurde Josef Gerke übertragen, die der Zahnerhaltung Paul Heyden, die Leitung der Zahnärztlichen Prothetik übernahm Hermann Böttger und die der Kieferorthopädie Hans Wunderer. 1953 betraute Häupl Alfred Rehrmann mit der Leitung der Kiefer- und Gesichtschirurgie.

Nach Häupls unerwartetem Tod 1960 übernahm Gerke die kommissarische Leitung der Klinik. Eine Neuordnung erfuhr die Westdeutsche Kieferklinik durch den Beschluss der Medizinischen Akademie, getrennte Ordinariate für die Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie und die Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu schaffen.

1962 wurde Carl-Heinz Fischer auf den Lehrstuhl für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde berufen. Rehrmann wurde im selben Jahr zum Extraordinarius für Kiefer- und Gesichtschirurgie ernannt.

Die Zahl der zahnärztlichen Behandlungsräume konnte in diesen Jahren deutlich erhöht werden. War die Westdeutsche Kieferklinik von ihren Ursprüngen her hauptsächlich chirurgisch orientiert, entwickelten sich jetzt auch zunehmend die zahnärztlichen Fachbereiche.

Die Medizinische Akademie wird Universität

1965 beschließt die Landesregierung, die Medizinische Akademie in eine Universität umzuwandeln. Die Medizinische Fakultät wurde damit die Keimzelle der Universität Düsseldorf.

Ein Jahr später wurde die Westdeutsche Kieferklinik um ein vorklinisches Institut erweitert, sodass es nunmehr möglich war, auch den Vorklinischen Studienabschnitt in Düsseldorf zu absolvieren. 1969 wurde Böttger auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Zahnärztliche Prothetik berufen. Manfred Straßburg wurde mit der Leitung der Zahnerhaltung und Parodontologie betraut, Walter Weise übernahm die Leitung der Kieferorthopädie. Beide wurden 1972 als Lehrstuhlinhaber berufen. Fischer wurde 1969 zum Dekan der Medizinischen Fakultät gewählt. Von 1970 bis 1972 stand er der Universität Düsseldorf als Rektor vor.

Nach Fischers Emeritierung im Jahre 1977 wurde Straßburg zum Leiter der Zahnärztlichen Chirurgie und Parodontologie ernannt. Auf den Lehrstuhl für Konservierende Zahnheilkunde folgte Franz Schübel. Die Nachfolge Rehrmanns trat Jürgen Lentrodt als neuberufener Lehrstuhlinhaber der Kiefer- und Plastischen Gesichtschirurgie im Jahre 1979 an. Straßburg wurde 1980 zum Dekan der Medizinischen Fakultät gewählt. Nach der  Verselbständigung der Parodontologie im Jahre 1985 wurde Armin Herforth als deren Leiter ernannt.

Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Mit der Neustrukturierung der Medizinischen Fakultät wurde die Westdeutsche Kieferklinik 1985 in das Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit seinen fünf zahnärztlichen Polikliniken und der Klinik für Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie umgewandet. Der traditionsreiche Name "Westdeutsche Kieferklinik" wurde jedoch beibehalten.

Nach der Emeritierung Böttgers 1988 wurde Ulrich Stüttgen auf den Lehrstuhl für Zahnärztliche Prothetik berufen. Die Nachfolge von Schübel trat 1996 Wolfgang Raab als neuberufener Lehrstuhlinhaber für das Fach Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde an. Nachfolger Straßburgs auf dem Lehrstuhl für Zahnärztliche Chirurgie und Aufnahme wurde 1997 Jürgen Becker. Im selben Jahr übernahm Dieter Drescher die Nachfolge Weises auf dem Lehrstuhl für Kieferorthopädie. Mit der Übernahme des Lehrstuhls für Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie in der Nachfolge Lentrodts durch Norbert Kübler im Jahre 2002 vollzog sich ein weiterer Generationswechsel.

Nach der Pensionierung Ulrich Stüttgens übernahm die aus Freiburg berufene Petra Gierthmühlen 2016 den Lehrstuhl für Zahnärztlichen Prothetik.

Literatur

Straßburg M, Böttger H: Die Geschichte der Westdeutschen Kieferklinik. Deutscher Zahnärztekalender 1994, Hanser Verlag München Wien

Geister M: Zur Geschichte der Westdeutschen Kieferklinik. Landeshauptstadt Düsseldorf 2004







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