Health Humanities

Die Düsseldorfer Health Humanities erkunden die Grenzbereiche zwischen Medizin und den Geisteswissenschaften. Sie verstehen und verorten Medizin als Teil einer wissenschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung und dienen so der interdisziplinären Diskussion. Reflexion, fachliche, aber auch persönliche Weiterentwicklung stehen im Zentrum eines Fachgebiets, das medizinisches Handeln und Denken in einen größeren Kontext einordnet und so kontroverse Debatten und produktive interdisziplinäre Projekte ermöglicht. Das vielseitige Veranstaltungsangebot der Health Humanities richtet sich an Studierende aller Düsseldorfer Fakultäten und greift aktuelle Streitfragen und Debatten über Medizin und Gesundheit auf, um sie historisch, ethisch, theoretisch und im Prisma der Kunst zu reflektieren.

Aktuelle Veranstaltungen im Sommersemester 2025 (Anmeldungen über das HIS-LSF)

Online-Ringvorlesung: Die Sprechstunde. Streifragen und Debatten der Medizin für (Nicht-)Mediziner*innen

Diese Ringvorlesung bietet eine Bühne für den Dialog zwischen Medizin und den Humanities und richtet sich an ein interdisziplinär interessiertes Publikum. Zu jedem Termin werden Debatten und Streiftragen der Medizin aufgegriffen, um sie zusammen mit ausgewiesenen Expert*innen zu diskutieren. Ausgespielt wird dabei das Methodenspektrum des Querschnittfachs Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Gegenstand der einzelnen Veranstaltungen können aktuelle Debatten um zentrale Begriffe oder Konzepte wie etwa „Evidenzbasierte Medizin“ oder „Verteilungsgerechtigkeit“ ebenso sein wie klassische medizinische Aufgabenfelder und Themen, die einmal eine medizinische Bedeutungsdimension hatten. Beispiele für Letzteres bieten geschichtliche Vorgänge der medizinischen, oft pathologisierenden Aneignung oder Umdeutung des Kulturellen und Sozialen.
 

Ringvorlesung: Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin

Die Vorlesung behandelt ausgewählte Themen der Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, die von Fragen der Professionsgeschichte- und Ethik der Ärzteschaft über die Sozialgeschichte der Medizin bis hin zu Fragen der Öffentlichen Gesundheit, der Sterbehilfe und der Forschungsethik in der Medizin reichen. Die Veranstaltung bietet einen Einstieg in den Bereich der Health Humanities und stellt Aspekte von Geschichte, Wissenschaftstheorie und Ethik der Medizin sowie kulturwissenschaftliche Bezüge her.


Seminar: Medizin und Psychologie im Zeitalter der Weltkriege. 1914/18 und 1939/45 im Vergleich“

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 zeigte sich, dass die sich traditionell als „unpolitisch“ begreifenden Fächer der Medizinischen Fakultäten kaum weniger im Propaganda-„Krieg der Geister“ mitmischten als andere wissenschaftliche Disziplinen. Medizin und Psychologie bewegten sich in mobilisierten Kriegsgesellschaften aber nicht nur in der politischen Öffentlichkeit, sondern auch mit Blick die konkrete Forschungs- und Versorgungspraxis in einem extrem ideologisierten Referenzrahmen. Das Seminar führt in die Forschungsdiskussion über Vergleiche zwischen den beiden Weltkriegen ein.

Seminar: „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“? Sexualforschung und politische Öffentlichkeit seit dem 20. Jahrhundert

Ist die Schaffung einer gerechteren Gesellschaft auch eine Frage wissenschaftlicher Aufklärung? Der Berliner Arzt und Sexualreformer Magnus Hirschfeld, zwischen 1900 und 1933 der wohl bekannteste Sexualforscher weltweit, hat diese Überzeugung gehabt und sich unter dem Motto „Per Scientiam ad Iustitiam“ in Politik und Öffentlichkeit für die Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten eingesetzt. Das Seminar zeichnet die Bedeutung von Wissenschaft in der Geschichte sexual- und geschlechterpolitischer Legitimationsstrategien im 20. Jahrhundert und 21. Jahrhundert nach.

Seminar: Vielfalt des Geistes: Ein interdisziplinärer Blick auf Neurodiversität 

Die junge Bezeichnung Neurodiversität umfasst ein breites Spektrum an neurologischen Besonderheiten wie etwa Autismus, ADHS, aber auch Synästhesie und Demenz. Das Seminar untersucht die noch kurze Geschichte der Neurodiversitätsbewegung und diskutiert ihre vielfältigen Facetten, lässt aber auch kritische Stimmen zu Wort kommen. Ein weiterer Schwerpunkt des Seminars ist die Wahrnehmung von Neurodiversität in der (Pop-)Kultur, der Gesellschaft und der Medizin. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Frage der Gerechtigkeit gelegt. Anhand von Fallbeispielen, aktuellen popkulturellen Darstellungen und gesellschaftlichen Debatten sollen die Herausforderungen und Chancen diskutiert werden, die mit neurodivergenten Identitäten verbunden sind. Zudem beleuchten wir die Bedeutung von Inklusion und Akzeptanz in der heutigen Gesellschaft. Ziel des Seminars ist es, ein tieferes Verständnis für die Vielfalt menschlicher Erfahrungen zu fördern, die sozialen und politischen Implikationen von Neurodiversität zu reflektieren und den Dialog mit neurodivergenten Perspektiven zu bereichern.

Seminar: Entgrenzte Forschung und ihre Opfer. Geschichte und Nachgeschichte von Medizin und Psychologie im Nationalsozialismus

Die historische Forschung über die Medizin in der Zeit des „Dritten Reichs“ ist kaum mehr zu überblicken, durchlief jedoch in den vergangenen rund vierzig Jahren deutlich voneinander zu unterscheidende Entwicklungsphasen. Das Seminar widmet sich zwei der ertragreichsten unter den rezenten Diskussionen, indem sie zum einen nach dem Ort der medizinischen und psychologischen Forschung in der Epoche der Moderne fragt und sich zum anderen der Geschichte der Opfer entgrenzter Forschung in und nach dem Nationalsozialismus zuwendet. 

Uraufführung von Hermann Brochs „Verzauberung“

Seit 2021 diskutiert, probt und entwickelt das interdisziplinäre Medizintheaterprojekt „Heinrichs Dorftheater“ neue Theaterstücke. Studierende aus allen Fachrichtungen reflektieren über Ängste, Emotionen und Grenzsituationen ärztlichen Handelns und erkunden diese kreativ. In dieser Spielzeit feiert die Uraufführung einer Adaption von Hermann Brochs Nachlassroman „Die Verzauberung“ Premiere.

In einem abgelegenen Bergdorf erscheint ein fremder Wanderer, bald wird er als Erlöser gefeiert. Doch wie viel liegt Marius Ratti an der Bevölkerung? Ist er vielleicht nur an dem Gold im stillgelegten Bergwerk interessiert und was für ein Spielt treibt sein Freund Wenzel? Innerhalb kürzester Zeit verbreitet sich der Wahn, der Glaube an eine neue Gemeinschaft, an Erlösung oder schlicht an Reichtum in der Bevölkerung. Kann die weise Mutter Gisson den fanatischen Marius Ratti aufhalten und welche Rolle spielt die Ärztin des Orts? 
Hermann Brochs Nachlassroman „Die Verzauberung“ ist ein eine Warnung vor dem aufkommenden Nationalsozialismus und eine beeindruckende Studie des Massenwahns, die Jahrzehnte nach dem Entstehen kaum aktueller sein könnte. 

Der Vorverkauf startet im Juni.

Vergangene Aufführungen des Theaterprojektes

Bühne frei – „Professor Bernhardi“ in Düsseldorf im UKD

Ein akademisches Krankenhaus, die Besetzung einer Professur, Konkurrenzkampf, eine verlorene Liebe, ethische Fragen und Antisemitismus: Das sind die Themen „Professor Bernhardis“. Worin gipfeln die Konflikte? Natürlich in einem Prozess und allerlei Verwirrungen. 

Arthur Schnitzlers 1912 uraufgeführtes Stück ist auch über 100 Jahre nach der ersten Aufführung noch hoch aktuell. „Das Stück legt ironisch den Finger in die Wunden des Ringens um Reputation im Wissenschaftsbetrieb. Es deckt menschliche Abgründe auf, in denen nicht selten ‘Das Andere’ beschworen wird, wenn es um Macht, Politik und Einfluss geht“ sagt Prof. Dr. Heiner Fangerau (Regie). „Gleichzeitig stellt das Stück grundsätzliche medizinethische Fragen. Spannung ist garantiert und niemand wird den Saal unberührt verlassen. Das Stück bietet der heutigen Gesellschaft einen Spiegel“ ergänzt Dr. Daniela Link (Co-Regie).  

Seit Oktober 2021 diskutieren, proben und entwickeln die Studierenden im Rahmen einer interdisziplinären Lehrveranstaltung des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin unter Leitung von Fangerau und Link Theaterstücke und führen diese auf. Das Ergebnis dieser kreativen Zusammenarbeit des letzten Jahres ist eine aktualisierte und pointierte Version von „Professor Bernhardi“.

Den krönenden Abschluss bildete eine Wiederaufführung am 12.01.2025.

Grenzenlos (Juli 2023)

Am 8. Juli fand die Premiere des interdisziplinären Medizintheaters der Heinrich-Heine-Universität (HHU) statt. Studierende verschiedener Fachrichtungen spielen „Grenzenlos“, eine Medizincollage des Autorenkollektivs „Heinrichs Dorftheater“.
Die Collage begleitet die nur mäßig begabte Regisseurin Renée-Christin Sattlhuber und ihr Ensemble bei der Suche nach den Grenzen der Medizin und der Unverwechselbarkeit der künstlerischen Darstellung. Doch zwischen dystopischem Forschungsbestreben, betrügerischen Wissenschaftlern, Schönheitswahn und fragwürdigen Ärztecharakteren lösen sich nicht nur die Grenzen der Medizin, sondern auch die zwischen Stück und Wirklichkeit zunehmend auf. Sattlhubers Assistentin Jenny Summer kann das Ensemble nur mit Mühe zusammenhalten. Ihr Star Heinz Schreier und die ehemalige Burgschauspielerin Gabi Lavoir drohen in ihrer gegenseitigen Konkurrenz zu ersticken und die Assistentin selbst erliegt den Verlockungen der scheinbar grenzenlosen medizinischen Möglichkeiten. Zwischen Proben, Seminaren und Prüfungen ist es die Medizinstudentin Clara Bovenschulte, die sich weder von den Ränkespielen alternder Stars noch von gestressten Mitstudierenden schockieren lässt. Doch was ist, wenn am Ende selbst sie Teil einer grenzenlosen Medizin wird, die ihren eigenen Gesetzen folgt? Voller Elan, Witz, begleitet von ernsten Tönen, aber auch mit einer ordentlichen Portion Selbstironie hinterfragen Studierende der Medizinischen und der Philosophischen Fakultät der HHU die Grenzen der Medizin und die Erwartungshaltung von Ärzten und Patienten.

Dr. Knock (Juli 2022)

Das interdisziplinäre Medizintheater der HHU spielte Ende Juli 2022 die sarkastisch-kritische Medizinsatire von Jules Romains „Dr. Knock oder Der Triumph der Medizin“. Das Stück zeigt, wie der durchtriebene Mediziner eine Gesellschaft Kranker erschafft. Lange bevor Begriffe wie Medikalisierung, individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL-Leistungen), Medizinmanagement oder Gesundheitsmarketing geprägt wurden, brachte Romains die grenzenlose Medizin auf die Bühne. So wird aus der gesunden Bäuerin binnen kürzester Zeit die bettlägerige Dauerpatientin, die Lehrerin wird zur Zentrale für gesundheitliche Aufklärung und die resolute Hotelbetreiberin wird zur erfolgreichen Leiterin eines Krankenhauses. Ungebrochen aktuell, kritisch, lustig und spritzig setzen sich Studierende der Medizinischen und der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität mit zentralen Fragen des Stücks auseinander: Was macht Mediziner*innen aus? Wo sind die Grenzen medizinischen Wirkens? Wie weit dürfen Ärzt*innen gehen? Massenpsychose, Verführbarkeit und eine große Portion schwarzer Humor machen diese Medizinsatire zu einem besonderen Erlebnis, bei dem den Zuschauer*innen das Lachen manchmal im Halse stecken bleibt.

Ansprechpartner:

Dr. Richard Kühl (richard.kuehl@hhu.de)
Dr. Daniela Link (daniela.link@hhu.de)

Twitter: @HealthHumHHu

Instagram: @health.humanities_hhu

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