Zur Geschichte von Epidemien und Pandemien

Große Seuchenzüge gibt es in der Geschichte der Medizin viele. Angesichts der aktuellen Corona-Pandemie und ihrer einschneidenden Folgen fragen sich viele Menschen, ob es früher andere Seuchen gab, wie mit ihnen umgegangen wurde und ob der Umgang damals ein anderer war als heute.

Zuerst muss man festhalten, dass wir bei vielen früheren Pandemien gar nicht so genau wissen, um welche Seuchen es sich genau handelte. Wenn beispielsweise in Quellen von der Pest zu lesen ist, so heisst das nicht unbedingt, dass in diesen Quellen die Infektionskrankheit beschrieben ist, die wir heute unter dem Begriff Pest (Yersinia pestis) begreifen. Der Versuch einer "retrospektiven Diagnostik" ist problematisch und oft frustran.

Viel genauer können Historiker/-innen rekonstruieren, wie der gesellschaftliche Umgang mit solchen Erkrankungen war. Einschneidend waren die großen Epidemien und Pandemien gesellschaftlich und politisch fast immer (für einen historischen Überblich siehe z.B. diese aktuelle Darstellung von Martin Dinges). Zu vielen Städten gibt es hervorragende Darstellungen und Analysen des Umgangs mit Kranken und Erkrankungen (siehe exemplarisch die Arbeit zu Nürnberg von Fritz Dross). Mit der Industrialisierung führte Grundsatzkritik an Nebenwirkungen staatlicher Seuchenbekämpfung zum sogenannten Antikontagionismus, anhand zunehmender bakteriologischer Erfahrungen wurde das Problem gesunder Keimträger erkannt.

Charakteristisch für die Gegenwart ist, dass die Gesellschaft andere große Pandemien wie die so genannte "Asiatische Grippe" 1957/1958 oder "Hongkong Grippe" der Jahre 1968/1970 nahezu vollständig verdrängt hat, obwohl nach großen Seuchenzügen ganze Kunstgattungen wie das "Totentanzmotiv" entstanden.

Wir werden an dieser Stelle Materialien und Texte einstellen, die weitere Informationen bieten und die reichhaltigen Bibliotheksbestände ergänzen.

Themen und Texte zur Geschichte

Kann man mit den theoretischen Konzepten und historischen Beispielen, die Michel Foucault in den 1970er Jahren entwickelte, die gegenwärtige Lage deuten? Ja – aber anders, als man denkt. Und nein, von Biopolitik zu sprechen hilft dabei nicht weiter.

Das Corona-geprägte Jahr 2020 „steht in einer künftigen Geschichtsschreibung für einen tiefgreifenden Wandel der politischen Kultur", prognostiziert der Historiker Martin Sabrow. Doch in welche Richtung? Nicht im staatlichen, sondern „im gesellschaftlichen Ausnahmezustand“ könne „die eigentliche Zäsur unserer Tage“ liegen, reflektiert der Historiker und stellt vier Thesen zur Diskussion.

Die Balance zwischen freier Entscheidung und Allgemeinwohl, die Impfpflicht und Verschwörungsfantasien, darüber streiten die Deutschen schon seit dem Kaiserreich - mit überraschenden Wendungen.

Seit dem Mittelalter erlebt Europa regelmässig Epidemien. Die damit verbundenen Wirtschaftskrisen beschleunigten Innovationen wie den Buchdruck oder die Trinkwasserversorgung.

Wie wurde in der frühneuzeitlichen Stadt mit Seuchen umgegangen, welche Maßnahmen wurden ergriffen und wie wurden diese verhandelt?

Hier geht es um die verdrängte Grippe 1957/1958 und die Debatte um eine Impfung in West- und Ostdeutschland.

David Rengeling untersucht die Geschichte der Diskurse in der Gesellschaft, in der Politik und in Fachkreisen. Die Ausgangsfrage ist, warum gerade die Spanische Grippe immer wieder zum argumentativen Bezugspunkt zum Umgang mit vorhandenen oder drohenden Pandemiewellen war. Rengeling stößt auf ein dichtes Netz an Argumenten, Diskursen und - angewandten oder auch nur entworfenen -- Dispositiven zum Seuchengeschehen auf internationaler und nationaler Ebene.

Kapitel 2: Sovereignty and the Microscope: The Containment of the Manchurian Plague, 1910-11, S. 22-44 untersucht die Rolle, welche die Pestepidemie Anfang des 20. Jahrhunderts für die Durchsetzung des Gedankens medizinischer Moderne gespielt hat. Es handelte sich hier um die hochkontagiöse Lungenpest, die sich unfassbar schnell ausbreitete und eine sehr hohe Sterblichkeit hatte. Hsiang-Lin Lei skizziert die Verbindung zwischen dem Mikroskop als Repräsentanten der modernen Medizin und gewaltvoll durchgesetzten Maßnahmen der Bewegungseinschränkung, die sich gegenseitig legitimierten, brutal waren und von der Bevölkerung so empfunden wurden, aber letztendlich auch effektiv waren. Vom Staat legitimierte Mediziner (allen voran Liande Wu).

Mit Blick auf das Thema "Social distancing" ist dieser Aufsatz vom gleichen Autor von besonderem Interesse.

(Danke an Prof. Dr. Fritz Dross und Prof. Dr. Bettina Wahrig für ihre Hinweise und Zusammenfassungen)

 Zur Entwicklung von Medikamenten am Beispiel der Tropenmedizin die Diss.

Als Überblick und Kommentar zu aktuellen Entwicklungen

Fangerau H, Labisch A (2020): Aus der Seuchengeschichte lernen: Wir müssen eine neue Gesundheitssicherung aufbauen, zoo:m [E-Journal für Düsseldorf] 1, 6-15.

Die Coronakrise stellt unsere Gesellschaft vor Herausforderungen. Doch das passiert nicht zum ersten Mal, wie ein Blick auf die Pestpandemien der Vergangenheit beweist. Im Gespräch: Medizinhistoriker Heiner Fangerau.

  • J. Vögele und W.R. Lee, The benefits of federalism? The development of public health policy and health care systems in nineteenth-century Germany and their impact on mortality reduction, in:  R. Floud, R.W. Fogel, Ch.R. Walgreen, B. Harris and S.Chul Hong, Health, Mortality and the Standard of Living in Europe and North America since 1700, Cheltenham 2014.

 

 

Auf weiteren Seiten finden Sie auch Informationen zu:

Was schrieb ein "public health" Spezialist des früheren 20. Jahrhunderts über Seuchen?

 

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