EMAH - Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern

Prof. Dr. med. Tobias Zeus

Leitender Arzt der Abteilung für strukturelle Herzerkrankungen und angeborene Herzfehler und Leiter des TAVI-Programmes (Transcatheter Aortic Valve Implantation)

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Dr. med. Kathrin Klein

Oberärztin, Leiterin des EMAH-Programmes (Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern) und Leiterin des TAVI-Programmes (Transcatheter Aortic Valve Implantation)

Etwa jedes 100. Kind wird mit einem Herzfehler geboren. Der Schweregrad der Herzfehler umfasst ein weites Spektrum. Komplexe Herzfehler erfordern oftmals eine sofortige Therapie nach der Geburt. Leichtere Herzfehler werden unter Umständen erst im Erwachsenenalter diagnostiziert.
Dank großer Fortschritte in der Kinderkardiologie, der Intensivmedizin und der Kinderherzchirurgie in den letzten Jahrzehnten haben Kinder mit angeborenen Herzfehlern erstmals eine Überlebenschance bekommen. Heutzutage erreichen über 90% der betroffenen Kinder das Erwachsenenalter. Vielfach können sie inzwischen sogar ein normales, in vielen Bereichen uneingeschränktes Leben führen.

Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler – eine ständig wachsende Patientengruppe
Derzeit leben in Deutschland rund 300.000 Kinder und Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern. Jährlich steigt ihre Zahl um etwa 6000 an.

Herzkrank geboren bedeutet lebenslange medizinische Betreuung 
Es sind eine Vielzahl verschiedener angeborener Herzfehler bekannt, welche einzeln oder in Kombination auftreten können. Jeder dieser Herzfehler geht mit spezifischen anatomischen und funktionellen Charakteristika einher, welche die weitere Diagnostik und Therapie bestimmen. Schwere Herzfehler werden dabei in etwa 40% der Fälle diagnostiziert. Für das Überleben dieser Kinder ist in der Regel eine sofortige kinderkardiologische und/oder herzchirurgische Therapie erforderlich. Kinder mit nur einer Herzkammer benötigen beispielsweise in den ersten Lebensjahren mehrere Herzoperationen oder Herzkathetereingriffe. Viele andere Herzfehler können mit einer einzigen Operation korrigiert werden. Dennoch bleiben häufig Restbefunde bestehen, oder es entwickeln sich behandlungsbedürftige Befunde im Rahmen des weiteren Wachstums. Um diese frühzeitig zu erkennen und irreparable Folgeschäden zu vermeiden, bedürfen diese Patienten als Kinder, aber auch im weiteren Leben als Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) einer kontinuierlichen Betreuung.

Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern – eine Patientengruppe mit besonderen Bedürfnissen
Junge Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern möchten aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Sie haben Fragen bezüglich ihrer Berufswahl und möchten Sport ausüben („Lifestyle“). Andere wesentliche Aspekte sind ein Kinderwunsch, eine Schwangerschaft oder die Empfängnisverhütung. Es können im Laufe der Zeit typische Erkrankungen des Erwachsenen auftreten, welche einer internistischen oder chirurgischen Therapie bedürfen. Hierbei ist die vorhandene Herzerkrankung zu berücksichtigen. Diese selbst birgt spezielle langfristige Probleme. Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern unterscheiden sich somit grundlegend von älteren herzkranken Patienten.

Unser Konzept für EMAH-Patienten am Herzzentrum in Düsseldorf 
Die Abteilung für angeborene Herzerkrankungen im Jugend- und Erwachsenenalter stellt die zentrale und interdisziplinäre Behandlungseinheit im Herzzentrum dar. Dabei ist die Abteilung in feste ambulante sowie stationäre Strukturen der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, der Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie sowie der Klinik für Herzchirurgie des Universitätsklinikums Düsseldorf eingegliedert. So können wir eine hochspezialisierte, interdisziplinäre und individuelle Betreuung von Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern gewährleisten.

Die EMAH-Sprechstunde:

Spektrum der Diagnostik, Therapie und Beratung 

  • Langfristige Nachsorge und Betreuung von Patienten mit einem angeborenen    Herzfehler bzw. einer im Kindesalter erworbenen Herzerkrankung
  • Diagnose und Therapie angeborener Herzfehler mit klinischer Manifestation im    Erwachsenenalter (i.b. Vorhofseptumdefekte / persistierendes Foramen ovale)
  • Diagnose und Therapie von Herzrhythmusstörungen, der Herzinsuffizienz und des  Lungenhochdrucks als Folge eines angeborenen Herzfehlers
  • Abfrage und Programmierung von Einkammer-, Zweikammer- und biventrikulären Schrittmachern sowie Defibrillatoren
  • Betreuung von Patienten mit Marfan Syndrom
  • Kardiologische Mitbetreuung von Schwangeren mit einem angeborenen Herzfehler
  • Aufklärung bezüglich einer Endokarditisprophylaxe
  • Beratung bezüglich Berufswahl, Freizeitaktivitäten (z.B. Wahl einer geeigneten 
  • Sportart) und (Flug-)Reisen
  • Beratung bezüglich Kinderwunsch und Empfängnisverhütung

Moderne Diagnostik bei EMAH-Patienten

EchokardiographieStandardverfahren wie die transthorakale Echokardiographie (Ultraschalluntersuchung des Herzens von der Oberfläche des Brustkorbs) und die transösophageale Echokardiographie (Untersuchung von der Speiseröhre her) werden von erfahrenen Kinderkardiologen und Erwachsenenkardiologen durchgeführt. Neuartige (Echtzeit)-3D Verfahren ermöglichen eine dreidimensionale Rekonstruktion komplexer Herzfehler und geben beispielsweise wertvolle Informationen über die Möglichkeiten klappenerhaltender Eingriffe. Gewebedoppleranalysen und „Speckle Tracking“ werden zur Funktionsanalyse des Herzmuskels verwendet. Echokardiographische Techniken werden in speziellen Fällen ergänzend unter Belastungsbedingungen eingesetzt.
Hybride Bildgebung im HerzkatheterlaborSimultane Durchführung von Angiographien und Rotations-Computertomographie, sowie ergänzend die Kernspintomographie (1.5 Tesla) ermöglichen eine präzise Darstellung komplexer Herzfehler, erlauben funktionelle Untersuchungen und begleiten katheterinterventionelle Therapieverfahren.
Herzkatheterinterventionen für EMAH-PatientenMittels katheterinterventioneller Therapieverfahren können Restbefunde oder neu aufgetretene Störungen ohne eine Operation behoben werden. So werden Restdefekte im Bereich des Vorhofseptums, offene Kurzschlussverbindungen zwischen Gefäßen oder Engstellen an Gefäßen und Klappen in unserem Team aus Kinder- und Erwachsenenkardiologen im Herzkatheterlabor therapiert.
Zudem besteht die Möglichkeit zur elektrophysiologischen Untersuchung und Ablation durch erfahrene Rhythmologen.
Kurzübersicht:
  • Verschlüsse von Septumdefekten und abnormen Gefäßverbindungen, z.B. mittels Schirmchen oder Spiralen („coils“), Vorhofohr(LAA)-Verschlüsse
  • Valvuloplastien
  • Gefäßdilatationen und Stentimplantationen verengter Gefäße, z.B. Stenosen von Pulmonalarterien, Aortenisthmusstenosen.

EMAH-Programmablauf

Erste Transkatheter-Pulmonalklappen am Herzzentrum Düsseldorf

implantiert am 27.09.2012

Kardiologen und Kinderkardiologen des Herzzentrums Düsseldorf setzten mit Unterstützung von Professor Oliver Kretschmar, Leiter der Kinderkardiologie am Kinderspital Zürich, erstmals am Standort bei zwei jungen Patientinnen mit angeborenen Herzfehlern Transkatheter-Pulmonalklappen ein. 
Die Eingriffe dauerten ca. eine Stunde und konnten in nur leichter Narkose ohne Zuhilfenahme einer maschinellen Beatmung im Herzkatheterlabor durchgeführt werden. Der gesamte stationäre Aufenthalt betrug für die beiden Frauen nur wenige Tage. 
Die Idee zur Implantation der Melody® Transkatheter-Pulmonalklappe  stammte ursprünglich von dem Kinderkardiologen Professor Phillip Bonhoeffer. Der Name „Melody“ rührt von Bonhoeffers Leidenschaft für die Musik, welche er als Violinenspieler hegt. Bonhoeffer war auch derjenige, welcher am 12. September 2000 die erste Melody® Transkatheter-Pulmonalklappe bei einem damals 12jährigen Jungen mit angeborenem Herzfehler im Hôpital Universitaire Necker in Paris einsetzte. Der Junge zeigte ein Versagen seines Conduits, der künstlichen Verbindung zwischen seiner rechten Herzkammer und der Lungenarterie. Genau zu diesem Zweck war die künstliche Herzklappe konzipiert worden, und wurde seitdem bis dato bei ca. 4200 Patienten an mehr als 150 Zentren weltweit implantiert. Betroffen sind die Patienten meist im Jugendlichen- und jungen Erwachsenenalter. 
Die Implantation der Transkatheter-Pulmonalklappe ist die neueste Therapieoption für nicht mehr funktionstüchtige, verengte und/oder undichte Conduits. Dieses interventionelle Vorgehen soll die Lebensdauer der Conduits, und damit den Patienten ihr operationsfreies Intervall verlängern. Die Indikation zur Implantation wird nach spezifischen Ein- und Ausschlusskriterien gestellt. Am Herzzentrum Düsseldorf erfolgt dies über die EMAH (Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern)-Ambulanz. Ein operatives Vorgehen wird bei kombinierten Eingriffen (z.B. zusätzliche Trikuspidalklappen-Anuloplastie) bevorzugt.

Abbildung 1: Melody® Transkatheter-Pulmonalklappe

Die Melody® Transkatheter-Pulmonalklappe der Firma Medtronic GmbH wird in einem aufwändigen Manufaktur-Prozess aus einer klappentragenden Rindervene gefertigt und in einem expandierbaren Platin-Iridium Stent mittels Polypropylen-Nähten fixiert.

Abbildung 2: Schematische Darstellung der Klappenimplantation.

Prozedur
Über ein spezielles Transportsystem (Ensemble® Delivery System) wird die auf einen Ballon aufgebrachte Melody® Transkatheter-Pulmonalklappe an den Implantationsort in den Ausflußtrakt der rechten Herzkammer gebracht. Dieser Zugang gelingt über die Punktion des venösen Leistengefäßes und die nachfolgende Passage der Hohlvene, sowie des rechten Vorhofes. Ein arterieller Leistenzugang wird zur zeitgleichen Darstellung der sich in räumlicher Nähe zum Ausflusstrakt befindenden Herzkranzgefäße benötigt. Hierdurch wird die Gefahr eines Abklemmens des Kranzgefäßes erkannt.  Droht diese schwerwiegende Komplikation, kann die Transkatheter-Pulmonalklappenimplantation nicht durchgeführt werden, und es besteht nur die Möglichkeit eines chirurgischen Vorgehens.
In vielen Fällen werden vor der Klappenimplantation ein oder mehrere expandierbare Stents zur Stabilisierung in den Ausflußtrakt der rechten Herzkammer eingebracht. Diese Stent-Setzung erfolgt während der gleichen Prozedur im Herzkatheterlabor und erfordert keinen  zweiten Eingriff.

Medikamentöse Begleittherapie
Für eine Dauer von 6 Monaten nach der Implantation wird die Einnahme einer milden Blutverdünnung, Acetylsalicylsäure 100mg pro Tag, empfohlen. Weiterhin ist wie bei allen künstlichen Herzklappen eine lebenslange prophylaktische Antibiotika-Einnahme bei Infektions-gefährdenden, z.B. zahnärztlichen  Eingriffen erforderlich. Darüber hinaus ist keine weitere Medikamenteneinnahme speziell für diese Herzklappe notwendig.

Nachsorge
Nach der Klappenimplantation werden wenige zusätzliche ambulante Kontrollen in unserer EMAH-Ambulanz durchgeführt, und zwar im Abstand von 6 Wochen, sowie 3, 6 und 12 Monaten nach dem Eingriff. Routinemäßige Herzkatheteruntersuchungen sind nicht notwendig. Die üblichen, von den Fachgesellschaften empfohlenen Kontrolluntersuchungen bei angeborenen Herzfehlern sind unverändert einzuhalten.

Abbildung 3. Erste Implantationen einer Melody® Transkatheter-Pulmonalklappe am Herzzentrum Düsseldorf (27.09.2012).

Herzkatheterdiagnostik vor dem Eingriff.
Vor der Klappenimplantation wird eine vollständige Herzkatheter-Diagnostik durchgeführt, um die Druck- und Flussverhältnisse im rechten Herzen und Lungenkreislauf zu erfassen und den Ausflusstrakt der rechten Herzkammer zu vermessen. Hierdurch wird abschließend die Durchführbarkeit des Eingriffes überprüft. 

Darstellung der Koronargefäße.
Über das Inflatieren eines Ballons im Ausflusstrakt und die zeitgleiche Darstellung der Herzkranzgefäße wird die Gefahr eines Abklemmens erkannt. Ein Abklemmen eines Herzkrankgefäßes würde zu einem schwerwiegenden Herzinfarkt führen und verbietet den Eingriff.  

Klappenimplantation in das Conduit.
Die eigentliche Klappenimplantation geschieht über das Aufblasen eines Ballons, welcher in das Transportsystem integriert ist. 

Abschlussdarstellung.
Zum Ende der Untersuchung werden erneut Druck- und Flussverhältnisse gemessen, um das Ergebnis der Prozedur zu überprüfen. Lage und Dichtigkeit bzw. freie Durchgängigkeit der Klappe werden kontrolliert.   

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