Die Akute Lymphatische Leukämie

Die akute lymphatische Leukämie (ALL), oder auch akute lymphoblastische Leukämie genannt, ist eine Erkrankung, die aus der bösartigen Veränderung einer Vorläuferzelle der Lymphozyten hervorgeht. Lymphozyten sind Immunzellen, die den gesunden Menschen normalerweise vor Infektionserkrankungen schützen sollen. Die Leukämiezelle entstammt entweder Vorläuferzellen der B- oder T-Lymphozyten, daher werden B- und T-ALL unterschieden. Weiterhin unterscheidet man innerhalb der B-Zell-Leukämien solche, die eine bestimmte genetische Veränderung, die sogenannte Philadelphia Translokation aufweisen ( BCR/ABL-Translokation)  und solche, die diese nicht tragen. Die ALL erfordert eine umgehende Diagnosestellung und rasche Behandlung, da sie sich wie die akute myeloische Leukämie in aller Regel innerhalb kurzer Zeit entwickelt und schnell fortschreitend verläuft.

 Das Therapiekonzept ist kurativ, das heißt, man strebt grundsätzlich eine Heilung der Erkrankung an, wenn die Patienten nicht sehr alt oder umfangreich vorerkrankt sind. Zur Heilung einer BCR/ABL-negativen B-ALL oder einer T-ALL ist es erforderlich, ein intensives Chemo-Immuntherapieprotokoll mit zahlreichen Substanzen in einer bestimmten Therapiesequenz durchzuführen. In der Regel wird hierfür eine Zeitspanne von etwa mindestens 41 Wochen benötigt. Anschließend ist zusätzlich eine orale Erhaltungstherapie für etwa ein weiteres Jahr vorgesehen, um Rückfälle der ALL zu verhindern. Da die ALL gehäuft im Kindes- und Jugendalter auftritt, entstammen heutige Therapien ursprünglich aus der Pädiatrie und wurden über die letzten Jahrzehnte an die Erfordernisse von erwachsenen Patienten angepasst. Die Protokolle sind komplex und intensiv und sollten deshalb an erfahrenen Zentren durchgeführt werden. 

Die Behandlung der ALL erfolgt deutschlandweit in der GMALL (German Multicenter ALL) Studiengruppe, welche regelmäßig Therapieempfehlungen, basierend auf neuesten Erkenntnissen, herausgibt und zudem Studien veranlasst. Aufgrund der Therapieintensität existieren unterschiedliche Protokolle in Abhängigkeit des Patientenalters zum Erstdiagnosezeitpunkt (18-55 Jahre, 56-75 Jahre, >75 Jahre). 

Je nach Risikoprofil der ALL - oder auch bei unzureichendem Ansprechen auf die Standardtherapie - muss allerdings anstelle der 41 Wochen dauernden Chemo-Immuntherapie nach einer einleitenden intensiven Therapiephase eine frühzeitige allogene Blutstammzelltransplantation (PBSZT) erfolgen, sofern der Patient in einem für dieses Therapieverfahren geeigneten Zustand ist und ein Spender zur Verfügung steht. Deshalb wird bei der Diagnose einer ALL bereits frühzeitig eine HLA-Typisierung der Patienten und möglicher Familienspender durchgeführt. Wenn sich unter den Geschwistern kein passender Spender findet, wird auch eine Fremdspendersuche eingeleitet, um keine weitere Zeit mit der Spendersuche zu verlieren, falls eine Blutstammzelltransplantation im Laufe der Therapie erforderlich sein sollte. Die eigenen Kinder der Patienten können unter bestimmten Umständen auch als Blutstammzellspender herangezogen werden.

 Unlängst wurden von der GMALL aktualisierte Therapieempfehlungen zur Behandlung der ALL herausgegeben, die das Therapieprinzip bei der BCR/ABL-negativen B-ALL grundlegend verändern. Hier ist nun bereits in der Primärtherapie die Gabe des bispezifischen Antikörpers Blinatumomab vorgesehen, welcher bereits seit 2015 in Deutschland zur Therapie von Rezidiven der B-ALL zugelassen ist. Mit diesem Antikörper bestehen schon umfangreiche Erfahrungen, neu ist allerdings, dass er auch im Falle eines optimalen Ansprechens auf die einleitende Chemo-Immuntherapie zusätzlich empfohlen wird. Dieser Antikörper wird nun routinemäßig mehrfach zwischen weiteren Chemotherapiezyklen eingesetzt. 

Hintergrund dieser Änderung ist, dass sich in einer großen randomisierten Studie (E1910 Studie, Litzow et al.) in den USA mit 488 Patienten gezeigt hat, dass die Gruppe der 224 Patienten, die bereits sehr gut auf die Chemotherapie angesprochen und einen sogenannten MRD-negativen Status (kein Nachweis minimaler Resterkrankung) erreicht hatte, durch die zusätzliche Gabe von Blinatumomab einen signifikanten Überlebensvorteil aufwies. 

 Patienten mit BCR/ABL-positiver B-ALL werden mit einem abgewandelten Protokoll behandelt. Dieses enthält neben einer Chemotherapie- und Immunkomponente eine zielgerichtete Therapie, die bereits seit 2001 für eine andere Erkrankung zugelassen ist, die dieselbe Translokation aufweist: die CML. 

Die Substanz, Imatinib, ist ein sogenannter Tyrosinkinaseinhibitor, welcher gezielt die Signalwege blockiert, die über die durch die Translokation entstandene BCR/ABL Genfusion überaktiviert sind. Die BCR/ABL-positive ALL zählt nach der aktuellen Definition zu einer Hoch-Risikogruppe, so dass nach einer einleitenden Therapiephase eine allogene Blutstammzelltransplantation erfolgen sollte, sofern ein passender Spender vorhanden und der Patient für eine Stammzelltransplantation geeignet ist. 

Eine neue Therapieform, besonders für Patienten, bei denen es zu einem Rückfall der ALL gekommen ist, besteht in der Gabe von sogenannten CAR-T-Zellen. Dabei handelt es sich um Immunzellen des Patienten bzw. der Patientin, die nach der Entnahme mit einem speziellen genetischen Verfahren auf die Leukämiezellen eingestellt und „trainiert“ werden. Nach der Rückgabe können die CAR-T-Zellen dann die Leukämiezellen direkt angreifen.  Gab es bislang nur ein CAR-T-Zellprodukt für Kinder und junge Erwachsene bis 25 Jahre, so wurde im Herbst 2022 auch ein Produkt zugelassen, das ab dem Alter von 26 Jahren bei rezidivierter B-ALL angewendet werden kann. Die Entscheidung, welche Therapieoption im individuellen Fall durchgeführt werden soll oder auch, welche Reihenfolge optimal ist, ist aktuell Gegenstand von Studien. Im Rezidivfall wird deshalb eine hochindividualisierte Therapieentscheidung, fußend auf patienteneigenen Faktoren (z.B. Alter, weitere Erkrankungen) und krankheitsassoziierten Faktoren (z.B. Vortherapie, Spenderstatus) getroffen. 

Die Klinik für Hämatologie, Onkologie und Klinische Immunologie des UKD ist seit mehr als 30 Jahren fest in der GMALL verankert und gehört zu den größten Behandlungszentren für die ALL in Deutschland. Dementsprechend arbeiten wir aktiv an der Erstellung neuer Studienkonzepte mit und haben Zugang zu den aktuellen Therapieformen. Zusätzlich bieten wir neben den GMALL-Studien auch weitere Studien für besondere Situationen an.

Für die Primärtherapie von BCR/ABL-positiven B-ALL gibt es neben der Therapie analog den GMALL Empfehlungen in unserer Klinik die Möglichkeit, an einer randomisierten Phase-2-Studie teilzunehmen. Diese Studie, GMALL EVOLVE, prüft einerseits, ob durch die Gabe eines anderen Tyrosinkinaseinhibitors (TKI) im Vergleich zum bisherigen Standard-TKI ein besseres Ansprechen erreicht werden kann und andererseits, ob anstelle einer allogenen Blutstammzelltransplantation eine Kombinationstherapiesequenz mit Blinatumomab und Chemotherapie ein ebenso gutes Ansprechen erzielt.

Für Patienten mit einem Rezidiv der ALL bietet unsere Klinik neben modernen Immuntherapien (Antikörper und CAR-T Zell-Therapie) und der allogenen Blutstammzelltransplantation die Teilnahme an der BLIVEN-Studie an, bei welcher zu der in der Rezidivsituation ohnehin zugelassenen bispezifischen Antikörper Blinatumomab Venetoclax hinzugenommen wird. Dabei handelt es sich um eine Substanz, die bösartige Zellen schneller in den Zelltod (sog. Apoptose) bringen kann und so die Wirkung des bispezifischen Antikörpers Blinatumomab verstärken soll. Venetoclax ist eine Tablette und wird bereits in einigen anderen hämatologischen Erkrankungen teils sehr erfolgreich eingesetzt.

April 2024


Akute Lymphatische Leukämie (ALL)

Akute Lymphatische Leukämien treten meistens bei Kindern (zwischen dem 2. und 10. Lebensjahr), seltener bei Erwachsenen, vornehmlich zwischen 30 und 50 Jahren, auf. Ungefähr einer von 100.000 Menschen pro Jahr ist von ALL betroffen.

Eine der Leukozytenuntergruppen, die Lymphozyten, sind bei dieser Leukämie betroffen.Bei der ALL kann es zu einem Befall der Hirnhäute kommen. Aus diesem Grund wird vorsorglich eine Lumbalpunktion durchgeführt und eine intrathekale Therapie angewendet. Bei Hirnhautbefall leitet man eine Kopfbestrahlung ein.

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