Gerinnungsselbst-Management

Quick-Test und INR-Wert - was ist das?

Wir hatten in "Behandlungsprinzipien" schon dargelegt, dass die Antikoagulanzientherapie mit Marcumar bei jedem einzelnen Patienten individuell mittels laborbegleitender Untersuchungen genau gesteuert werden muss. Hierzu dient in erster Linie der Quick-Test, genauer gesagt, die Prothrombinzeit-Bestimmung nach Quick. Ohne Gerinnungshemmung beträgt der Quick-Wert 100 Prozent. Durch Einnahme von Marcumar wird dieser Wert z.B. auf 30 Prozent herabgesetzt. Dies bedeutet: das Gerinnungspotenzial ist um 70 Prozent vermindert. Dem Patienten wird nun, je nach Thromboseleiden und seiner weiteren Thrombosegefährdung, ein diesem Risiko Rechnung tragender Zielbereich der Gerinnungshemmung, also der Antikoagulation, vorgegeben, z.B. 20 bis 40 Prozent. Bei Quick-Werten über 50 Prozent nimmt die Thrombosegefahr zu, bei Werten unter 15 Prozent das Blutungsrisiko. Der Zielbereich muss also möglichst strikt eingehalten werden. Genau dies ist aber im Alltag keineswegs einfach für den Patienten (siehe auch "Ernährungseinflüsse weiter unten").

"Quick ist nicht gleich Quick". Die Bestimmung des Quick-Werts, also der Prothrombinzeit nach Quick, mit der jahrelang üblichen Angabe der Gerinnungshemmung in Prozent, hat jedoch gezeigt, dass die in verschiedenen Labors beim gleichen Patienten aus gleichen Blutproben gemessenen Werte nur ungenügende Übereinstimmung zeigen. Dies hat verschiedene methodische Gründe und hängt vor allem mit den verwendeten Testreagenzien zusammen, in erster Linie mit dem Thromboplastin, das von Hersteller zu Hersteller verschieden ist. Bildhaft gesprochen entspricht dies einem Zustand, bei dem verschiedene Währungen in Umlauf sind. Das Problem ist durch Einführung der INR (= internationale normalisierte Ratio) als international standardisierte Bezugsgröße oder, in dem Bild von eben gesprochen, als "Einheitswährung" gelöst worden. Zur Verlaufskontrolle der Antikoagulation sollten deshalb heute therapeutischer Zielbereich (siehe oben) und jeweilige Einzelbestimmungen unbedingt als INR-Werte angegeben werden. Hierbei ist zu beachten: Quick- und INR-Werte verhalten sich gegenläufig! Das bedeutet: ohne Gerinnungshemmung beträgt der INR-Wert 1. Unter Antikoagulation mit Marcumar steigt der INR-Wert an. So entspricht etwa ein Quick von 35 Prozent einer INR von 2.5. Zielbereich der Gerinnungshemmung, z.B. zur Rezidivverhütung tiefer Beinvenenthrombosen ist ein INR von 2.0 bis 3.0.

Gerinnungs-Management und INR-Selbstbestimmung

Es ist ein wichtiges Behandlungsziel, dass der Patient wieder ein normales Leben führen kann und Lebensqualität erfährt. Hierzu können familiäres und berufliches Umfeld, Reintegration in den Arbeitsprozess und Wiedererlangung von Unabhängigkeit entscheidend beitragen. Dort, wo es unausweichlich ist, soll der Patient erfahren, dass sich mit krankheits- oder therapiebedingten "Handycaps" durchaus positiv umgehen lässt. Das hört sich theoretisch und idealisiert an, lässt sich aber an einem konkreten Beispiel aus unser täglichen Praxis belegen.

Wenn Sie zu den mehr als 500.000 Menschen in Deutschland gehören, die dauerhaft eine orale Antikoagulation durchzuführen haben, wenn Sie außerdem erfahren, dass mindestens genauso viele Patienten über längere Zeiträume von Wochen und Monaten gerinnungshemmende Medikamente wie Marcumar einnehmen müssen, dann wissen Sie: Es gibt außer Ihnen etliche Mitmenschen, die in gleicher Weise betroffen sind. Auch bei diesen Patienten sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen zur Steuerung der gerinnungshemmenden Therapie erforderlich. Hierzu wird in konventioneller Weise alle vier bis sechs Wochen ein Quick-Test durch Ihren Hausarzt bzw. niedergelassenen Internisten vorgenommen. Sie suchen also die Arztpraxis auf, man nimmt Ihnen Blut aus der Vene ab und schickt die Probe zur Bestimmung des Quick- bzw. INR-Werts an ein Labor. Je nach Arztpraxis erhalten Sie dann am gleichen Tag oder tags darauf das Ergebnis mit der Anweisung zur weiteren Marcumar-Dosierung.

Zu diesem Ablauf Ihrer Gerinnungskontrolle gibt es eine reale Alternative: Sie bestimmen den INR-Wert selbst und steuern Ihre Antikoagulation in eigener Regie. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass Sie darauf professionell vorbereitet werden. Dazu laden wir Sie ein, in unserer Gerinnungsambulanz noch einmal "die Schulbank zu drücken": Sie nehmen an drei Nachmittagen an einem strukturierten Schulungsprogramm teil und lernen das Gerinnungs-Selbstmanagement nach der CoaguChek-Methode aus dem "eff-eff". Sie sollten dazu nur über folgende Einsicht und Fähigkeiten verfügen:

  • Einsicht und Verständnis für die bei Ihnen angezeigte Gerinnungshemmung,
  • ausreichende Sehschärfe,
  • etwas manuelle Geschicklichkeit und
  • ein wenig Geduld.

Um den Rest kümmern wir uns. Das betrifft zunächst den Kostenübernahme-Antrag für Schulung und CoaguChek-Messgerät bei Ihrer Krankenversicherung und dann den Schulungskurs selbst. Worin werden Sie in dem Kurs unterwiesen? Folgende Themen und Übungen stehen auf dem Programm:

  • Einführung in die Theorie der Blutstillung und Blutgerinnung
  • Besprechung der notwendigen Antikoagulation beim einzelnen Patienten
  • Erläuterung des individuellen therapeutischen Bereichs
  • Erklärung der Ergebniseinheiten INR und Quick
  • Einweisung zur Handhabung des Messgeräts und der Testreagenzien
  • Praktische Übungen zur INR-Selbstbestimmung mit dem CoaguChek-Gerät
  • Erkennen von Über- oder Unterdosierungen
  • Vorgehensweise zur Dosisanpassung, je nach INR-Wert
  • Verhalten bei Problemen und Komplikationen
  • Eintragung der INR-Messergebnisse im Marcumar-Pass
  • Besprechung ernährungsbedingter Einflüsse

Die theoretischen und praktischen Unterweisungen werden von einer erfahrenen Schulungsassistentin und zwei Schulungsärzten durchgeführt, die ihrerseits eine spezielle Ausbildung zur Schulung von Patienten mit oraler Gerinnungshemmung (SPOG-Schulungsprogramm) absolviert haben. Dieses Programm wurde 1998 hier am Universitätsklinikum Düsseldorf entwickelt und wissenschaftlich evaluiert. Unsere Patientenseminare halten sich genau an die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft "Selbstkontrolle Antikoagulation" (ASA). Die Schulungsärzte prüfen, inwieweit die Lerninhalte tatsächlich vermittelt werden konnten, vor allem ob der einzelne Patient nunmehr die Verantwortung für das Selbstmanagement übernehmen kann. Erst dann erhalten Sie Ihr "Zeugnis", wir nennen es Schulungs-Zertifikat.

Wie werden INR-Selbstbestimmung und Gerinnungs-Selbstmanagement durchgeführt?

Ähnlich wie bei der Blutzuckerbestimmung nimmt sich der Patient einen Blutstropfen aus der Fingerkuppe ab, trägt ihn auf einem speziellen Teststreifen auf und führt den Testträger in das kleine, handliche und transportable CoaguChek-Messgerät ein, das dann automatisch den INR-Wert bestimmt.

Nach der Schulung führen Sie beim Gerinnungs-Selbstmanagement in der Regel einmal pro Woche eine Messung Ihres INR-Wertes durch. Bei Änderungen Ihres Lebensstils (z.B. Ernährung), Reisen oder bei Abweichungen Ihrer Einzelwerte vom vorgegebenen therapeutischen Bereich sind häufigere Kontrollbestimmungen angezeigt. Falls erforderlich, können Sie direkt auf die Veränderungen reagieren und die Marcumar-Dosis der neuen Situation anpassen. Gibt es Unklarheiten oder Probleme, wenden Sie sich bitte sofort an uns. Denn Selbstmanagement bedeutet nicht, dass Sie auf sich allein gestellt sind. Im Gegenteil, Sie werden weiterhin von unserem Zentrum betreut und haben hier Ihre festen Ansprechpartner, die Sie bei Schwierigkeiten sofort kontaktieren können. Wir prüfen auch mit Ihnen zusammen in regelmäßigen Abständen die von Ihnen ermittelten Werte. Hierzu führen wir Stichproben mit direktem Vergleich zwischen Ihrer CoaguChek-Messung und unserer Bestimmung im Labor durch. Wir beurteilen dann die Ergebnisse, beraten Sie und lösen gemeinsam mit Ihnen eventuelle Probleme.

Welche Vorteile hat das Gerinnungs-Selbstmanagement?

  • Höhere Therapiequalität. Durch regelmäßige, "engmaschige" Selbstkontrolle der INR-Werte werden Veränderungen frühzeitig erfasst. Die Marcumar-Dosis kann sofort angepasst werden.
  • Mehr Sicherheit. Die zeitnahe Reaktion auf Ihre Werte bei Schwankungen (als Hinweis auf eine Über- oder Unterdosierung) trägt wesentlich dazu bei, Komplikationen zu vermeiden.
  • Mehr Flexibilität, mehr Unabhängigkeit. Ob zu Hause oder unterwegs - mit dem CoaguChek-System haben Sie Ihre Gerinnungswerte stets im Blick. Gerade bei berufstätigen Patienten führt das Gerinnungs-Selbstmanagement zu mehr Flexibilität und Unabhängigkeit.
  • Höhere Lebensqualität. Die regelmäßige Selbstkontrolle der Gerinnungswerte fördert Ihr Verständnis für Vorgänge in Ihrem Körper. Sie können daher eher Belastungen und Einschränkungen im Alltag verhindern. Die wiedergewonnene Unabhängigkeit, vor allem der Zugewinn an Sicherheit tragen wesentlich dazu bei, Ihr Befinden und Ihre Stimmung zu heben. Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass Ihre Venen geschont werden. Denn im Gegensatz zur herkömmlichen Bestimmung der Gerinnungswerte im Labor wird zur INR-Messung nach der CoaguChek-Methode ja nur ein Tropfen Blut aus Ihrer Fingerkuppe benötigt.
  • Mehr Selbstständigkeit. Durch das Gerinnungs-Selbstmanagement nehmen Sie Ihr Leben tatsächlich wieder in die eigene Hand. Auch dies trägt zu Ihrem Zugewinn an Lebensqualität bei.
  • Therapieoptimierung. Sie passen Ihre Marcumar-Dosis direkt und zeitnah nach Bedarf an und optimieren damit Ihre gerinnungshemmende Therapie. Genau dies haben wir 1999 in einer umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchung beweisen können: Patienten, die ihren INR-Wert selbst bestimmen und ein Gerinnungs-Management in eigener Regie durchführen, liegen deutlich häufiger im vorgegebenen therapeutischen Bereich als Patienten mit gelegentlicher Gerinnungskontrolle in der herkömmlichen Weise.

Aus langjähriger Erfahrung in der Betreuung von Patienten unter Behandlung mit Marcumar wissen wir, dass immer wieder Fragen zu den Themen Ernährung, andere Medikamente und Verhalten bei kleineren operativen Behandlungen auftauchen. Deshalb hierzu gleich noch einige Erläuterungen.

INR-Wert und Ernährung. Verschiedene Einflussgrößen können beträchtliche Schwankungen des INR-Wertes hervorrufen. Hierzu zählt u.a. die Ernährung. Beispielsweise führt der Verzehr besonders Vitamin K-haltiger Innereien (Leber), Gemüse und Gewürze (Sauerkraut, Spinat, Rot-, Grün- und Weißkohl, Paprika, Sauerampfer, Löwenzahn, Wirsing, Petersilie, Kresse, Knoblauch, Schnittlauch, Zwiebeln) - trotz penibel genauer Einnahme der verordneten Marcumar-Dosis - zum Anstieg des Quick-Werts. Warum führen Vitamin K-haltige Speisen zu einer relativen Aufhebung der Gerinnungshemmung? Der Zusammenhang ist leicht nachvollziehbar: Marcumar wirkt als Vitamin-K-Gegenspieler (Antagonist) und hemmt die Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren (II, VII, IX, X). Dies bedeutet nicht, dass Marcumar-Patienten Vitamin K-reiche Speisen meiden müssen. Vielmehr ist der tägliche Marcumar-Bedarf dem Ernährungsverhalten anzupassen. Auch deshalb sind regelmäßige Kontrollbestimmungen des Quick- bzw. INR-Werts zur Steuerung der Antikoagulation bzw. zur Einhaltung des Zielbereichs erforderlich. Eine gleiche Situation ergibt sich durch Ernährungsumstellung, etwa bei Auslandsreisen.

Marcumar und andere Arzneimittel. Die gleichzeitige Einnahme anderer Medikamente kann die Marcumar-Wirkung verstärken oder abschwächen. Wir sprechen von Arzneimittel-Wechselwirkungen. Zu nennen sind hier vor allem Antirheumatika, Fettsenker, Antibiotika, Hormonpräparate, Schlaf- und Abführmittel. Wir weisen unsere Patienten deshalb darauf hin, unter keinen Umständen ohne ausdrückliche Absprache mit den behandelnden Ärzten zusätzliche Arzneien zu Marcumar einzunehmen. Vorsicht ist auch gegenüber Aspirin und anderen schmerz- und fiebersenkenden Medikamenten geboten. Wegen zusätzlicher Plättchenfunktionshemmung steigt die Blutungsgefahr.

Marcumar und zahnärztlicher Eingriff. Was haben Sie zu beachten? Bei kleineren Maßnahmen (Zahnsteinentfernung) ist keine Dosisreduktion von Marcumar mit Senkung des INR-Wertes erforderlich. Ist hingegen eine umfangreichere Sanierung (Zahnextraktion) geplant, kann der zahnärztliche Eingriff nicht ohne entsprechende Vorbereitung durchgeführt werden. Je nach Anlass ("Indikation") Ihrer gerinnungshemmenden Therapie und je nach Art und Umfang der vorgesehenen zahnärztlichen Behandlung muss die Einnahme von Marcumar vorübergehend unterbrochen und eine überlappende gerinnungshemmende Therapie mit Heparin durchgeführt werden. Diese Umstellung ist durchaus kritisch und muss ärztlich gesteuert werden. Hierzu beraten wir Sie, stimmen das Vorgehen mit Ihrem Zahnarzt ab und nehmen in Zusammenarbeit mit Ihrem Hausarzt erforderliche Kontrolluntersuchungen vor.

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