Thrombosen und Hämostasestörungen in der Schwangerschaft

Schwangerschaftsbedingte Thrombosen

Jede normale Schwangerschaft stellt bereits ein Thromboserisiko dar. Warum? Im Verlauf der Schwangerschaft treten in geradezu typischer Weise thrombosebegünstigende Veränderungen im Hämostasesystem ein. Diese Abweichungen sind durch Anstieg des gerinnungsfördernden Potenzials, Aktivitätsminderung der Gegenspieler (Antithrombin, Protein S) und durch Herabsetzung der fibrinolytischen Kapazität gekennzeichnet. Der Organismus der werdenden Mutter bereitet sich auf die Geburt vor. Die genannten Veränderungen dürften also eine evolutionsbedingte Adaptation des Blutstillungsmechanismus an die bevorstehende Entbindung darstellen. Von diesen naturbedingten schwangerschaftsassoziierten Änderungen sind andere thrombosefördernde Risikofaktoren abzugrenzen. Hierzu zählen Alter der Schwangeren, Übergewicht, Kaiserschnitt-Entbindung, frühere Schwangerschaften, Thrombosen in der Vorgeschichte und vor allem eine familiäre Thromboseneigung

Die Thrombosegefährdung in der Schwangerschaft und Wochenbettphase steigt, wenn die Schwangere Merkmalsträgerin mutierter thrombosefördernder Gerinnungsfaktoren ist. Wir haben uns in unserer Düsseldorfer Arbeitsgruppe intensiv mit diesen Problemen befasst und mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zur Thrombosehäufigkeit und individuellen Thrombosegefahr schwangerer Frauen durchgeführt. Die Ergebnisse lassen sich so zusammenfassen: Geht man von einer Thrombosewahrscheinlichkeit von 1:1.500 Schwangerschaften aus, so steigt das Risiko auf 1:400 bei Mutation des Faktors V (Faktor V „Leiden“), auf 1:200 bei Mutation des Faktors II (Prothrombin) und gar auf 1:20 bei Schwangeren, die Trägerinnen beider Mutationen sind (Kombinationsdefekte). Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass zur Thromboseentstehung verschiedene Einflüsse und Risikokonstellationen beitragen und dass sich hierbei erworbene und vererbte Risikofaktoren nicht einfach addieren, sondern vielmehr potenzieren. Für thrombosegefährdete Patientinnen ist deshalb entscheidend, dass das individuelle Thromboserisiko exakt ermittelt und dann ein angemessener, genau auf das jeweilige Risiko abgestimmter Maßnahmenkatalog zur Thrombose-Verhütung durchgeführt wird. Wir sprechen vom individualisierten risikoadaptierten Management zur Prävention schwangerschaftsassozierter Thrombosen, und genau dies ist eine der Hauptaufgaben in der Gerinnungsambulanz bei der Untersuchung und umfassenden Betreuung schwangerer Patientinnen in enger Zusammenarbeit mit dem Ärzteteam der Frauenklinik.

 


Hämostasestörungen als Ursache von Schwangerschaftskomplikationen

Neue Forschungsergebnisse, die wir zusammen mit den Ärzten der hiesigen Frauenklinik gewonnen haben, belegen, dass angeborene und erworbene Abweichungen im Blutstillungssystem ursächlich für eine Reihe von Komplikationen verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich sind, die im Laufe einer Schwangerschaft, zum Zeitpunkt der Entbindung oder in der Wochenbettphase eintreten können. Hierzu zählt vor allem das sog. HELLP-Syndrom und die Schwangerschaftsvergiftung (= Gestose, Präeklampsie). Ebenso gehört die Diagnostik möglicher Hämostasestörungen heute zur Ursachenermittlung, wenn es in der Früh- oder Spätphase einer Schwangerschaft plötzlich zum Fruchttod kommt oder wenn Fehlgeburten auftreten. Auch für diese Patientinnen führen wir in intensiver Zusammenarbeit mit den Ärzten der Frauenklinik eine umfassende Betreuung in unserer Gerinnungsambulanz durch.

Pille und Thrombose

Ebenso intensiv haben wir uns mit aktuellen Fragen zum Thema „Pille und Thrombosegefahr“ bzw. „Hormonersatztherapie und Thrombosegefährdung“ befasst. Entgegen weit verbreiteter Auffassung verursachen weder die Antibabypille noch eine Hormonersatztherapie (zur Behandlung von Beschwerden in den Wechseljahren) unmittelbar eine Thrombose. Sind hingegen in der Vorgeschichte bei einzelnen Frauen bereits Thrombosen aufgetreten, besteht eine positive Familiengeschichte im Hinblick auf Thrombosen, liegen weitere erworbene und/oder vererbte Risikofaktoren vor, die zu einer erhöhten Thromboserate führen, dann kann die Einnahme der Pille bzw. von Hormonen tatsächlich eine tiefe Bein- oder Beckenvenenthrombose auslösen. Vor Erstverschreibung der Pille oder Verordnung einer Hormonersatztherapie müssen individuelle Risiken deshalb sorgfältig erfasst und exakt beurteilt werden. Im Einzelfall sind hierzu neben ausführlicher Befragung (Eigenanamnese, Vorgeschichte, Familienanamnese) und körperlicher Untersuchung zusätzliche Laboranalysen (Bluttests) erforderlich, die in unserer Gerinnungsambulanz durchgeführt und bewertet werden.

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