Geschichtsbewusstsein und Erinnerungskultur in medizinischen Fachgesellschaften. Eine Bestandsaufnahme zu Organisationsformen und Akteuren
Datum 08.06.2018 - 09.06.2018
Veranstaltungsort: Museum, Archiv und Bibliothek der Deutschen Gesellschaft für Urologie, Uerdinger Str. 64, Düsseldorf
Veranstalter: Thorsten Halling, Matthis Krischel, Nils Hansson, Heiner Fangerau, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie Friedrich Moll, Arbeitskreis Geschichte der Urologie in der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V.
Kontakt: Thorsten Halling
Nahezu alle großen, aber auch viele kleinere medizinische Fachgesellschaften haben in den letzten Jahren – meist in Kooperation mit medizinhistorischen Instituten – die Geschichte ihres Faches oder zumindest ihrer Gesellschaft während der Zeit des Nationalsozialismus erforscht und entsprechende Publikationen vorgelegt (vgl. den Überblick bei Krischel et al 2016). Die Auseinandersetzung mit diesem Thema war in vielen Fachgesellschaften über Jahrzehnte hinweg geprägt von Verdrängung. Die wissenschaftliche Analyse erfolgte nicht selten erst durch äußeren Druck. Andererseits gaben auch an der Fachgeschichte interessierte Akteure der Fachgesellschaften vielfach wichtige Anstöße für entsprechende Forschungsprojekte (vgl. Institutsprojekte Düsseldorf). Oftmals waren es die Archivare und Schriftführer der Gesellschaften, die Vorarbeiten publizierten, Gleichgesinnte suchten und dabei auch die fachkulturelle Erinnerung mit prägten. Seit den 1980er Jahren haben sich in vielen Fachgesellschaften einerseits so genannte Historische Arbeitskreise (bzw. Historische Kommissionen oder Arbeitsgemeinschaften) und andererseits Praktiken des Geschichtsschreibung herausgebildet, die durchaus nicht immer aber doch in den meisten Fällen traditionellen, fortschrittszentrierten Vorstellungen von Medizingeschichte folgten und dabei auf fachwissenschaftliche Innovationen, biographische Leistungen und institutionelle Entwicklungen fokussierten.
Ausgehend von der Frage, welche Rolle historische Reflexionen in den medizinischen Disziplinen spielen, sollen die Historischen Arbeitskreise somit als ein besonderes institutionelles Phänomen in den Blick genommen werden, das die Rolle von Geschichte in der Medizin veranschaulicht.
Der Workshop verfolgt zwei Hauptziele:
Erstens dient er einer Bestandsaufnahme der Historischen Arbeitskreise und vergleichbarer Institutionen in den medizinischen Fachgesellschaften sowie ihrer historischen Archive, ihrer Genese, allgemeiner Aufgaben und Ziele, ihrer Mitgliederstruktur sowie ganz besonders der abgeschlossenen, laufenden und geplanten Projekte und Publikationen.
Zweitens soll in wissenschaftshistorischer Perspektive nach der Bedeutung von Archiven, Archivaren und Historischen Arbeitskreisen einerseits für die Disziplinengeschichte der einzelnen Fächer und andererseits für die fachkulturelle Erinnerungspolitik, auch über die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus hinausgehend, gefragt werden. In dieser Hinsicht gilt es vor allem zu analysieren, warum sich medizinische Fachgesellschaften Historische Arbeitskreise leisten, ihnen zum Teil sogar ein Budget zur Verfügung stellen. Welche Bedeutung wird ihnen innerhalb des jeweiligen Faches zugemessen etwa für die Selbstvergewisserung, Identitätsbildung und Außendarstellung? Tragen Historische Arbeitskreise/Arbeitsgemeinschaften und Archive als Träger von kollektiver Erinnerung, aber auch kollektiven Vergessens, also auch dazu bei, dass Fachgesellschaften als Ganzes eben nicht nur Wissensspeicher sind sondern auch als Erinnerungsorte - im Sinne von Kulminationspunkten fachkultureller Erinnerung - verstanden werden können?
Übergreifende Beiträge, aber auch Beiträge zu Teilaspekten sowohl aus den Historischen Arbeitskreisen heraus, wie auch in kritisch-beobachtender Perspektive sind gleichermaßen erwünscht. Diskutiert werden sollen darüber hinaus auch Möglichkeiten der Kooperation, beispielsweise in Hinblick auf vergleichende Studien zur Rolle medizinischer Fachgesellschaften im 20. Jahrhundert und die Bildung einer Interessengemeinschaft.
Damit ausreichend Zeit für Diskussionen besteht, sind Kurzvorträge (15-20 Min.) vorgesehen.
Reisekosten können leider nicht erstattet werden.