Geschichtsbewusstsein und Erinnerungskultur in medizinischen Fachgesellschaften. Eine Bestandsaufnahme zu Organisationsformen und Akteuren
Datum 08.06.2018 - 09.06.2018
Veranstaltungsort: Sitzungssaal in der Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Urologie (ebdMuseum, Archiv und Bibliothek der DGU); Uerdinger Straße 64, Düsseldorf
Veranstalter: Thorsten Halling, Matthis Krischel, Nils Hansson, Heiner Fangerau, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie Friedrich Moll, Arbeitskreis Geschichte der Urologie in der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V.
Kontakt: Thorsten Halling
Freitag, 08.06.2018
Ab 13:30 Willkommen
14.00 Begrüßung Heiner Fangerau
14.15 Grußwort Peter Rathert
14.30 Sektion I – Institutionen, Gedächtnisspeicher, Erinnerungsorte
Moderation: Thorsten Halling
Friedrich H. Moll (Köln/Düsseldorf): Museum, Archiv und Bibliothek der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V.
Hartmut Collmann (Würzburg): Das Archiv für Geschichte der Deutschen Neurochirurgie
Eva Brinkschulte / Katrin Richert (Magdeburg): Zur Erinnerungskultur der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) - Die Medizinhistorische Sammlung Gommern-Vogelsang e.V. / und das Archiv der DGRh.
15:30-16:00 Pause
Moderation: Nils Hansson
Thomas Beddies (Berlin): Die Historische Kommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
Ralf Vollmuth (Potsdam): Der AK „Geschichte und Ethik der Wehrmedizin“ in der „Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e.V.“ (DGWMP)
Knut Albrecht (Potsdam): Von der geschichtlichen Entwicklung der gerichtlichen Medizin in Brandenburg nach dem II. Weltkrieg und der Arbeit in einem Schloss
17:00 Pause
17:30 Sektion II – Projekte zur Geschichte der medizinischen Fächer im Nationalsozialismus
Moderation: Matthis Krischel
Alexandra Arndt / Thomas Benter (Bad Berka): Das Berliner Krebsinstitut der Charité 1903-1945
Timo Baumann (Düsseldorf): Das Projekt "Die deutsche Gesellschaft für Kreislaufforschung im Nationalsozialismus 1933-1945"
Florian Schneider (Berlin): Radiologie im Nationalsozialismus – der Aufarbeitungsprozess innerhalb der Deutschen Röntgengesellschaft e.V.
18:30 Ende
Samstag, 09.06.2018
9.00 Sektion II (Forts.)
Moderation: Anne Oommen-Halbach
Klaus Zerres (Aachen) / Felicitas Söhner (Düsseldorf/Dillingen): Oral History Projekt zur Geschichte der Humangenetik in Deutschland
Anja Werner (Halle): Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der HNO: Die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie
Gisela Tascher (Heusweiler): Der Arbeitskreis Geschichte der Zahnheilkunde der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und die Arbeiten zur Erforschung der Zahnheilkunde im Nationalsozialismus
Ulrike Eisenberg (Berlin/Eberswalde): Verraten – Vertrieben – Vergessen. Das Gedenkbuch über die ab 1933 vertriebenen deutschen Neurochirurgen, seine Entstehungs- und Wirkungsgeschichte und die Resonanz in der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie
10:20-10:50 Pause
11:50 Sektion III – Methodische und inhaltliche Perspektiven,
Moderation: Heiner Fangerau
Maike Rotzoll (Heidelberg) / Ekkehardt Kumbier (Rostock): Psychiatrie im Nationalsozialismus - eine Hypothek als Weiterbildungsimpuls
Lukas Rehmann (Münster): Erinnerungskultur in der Sportmedizin – Der Umgang der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention mit ihrer Vergangenheit
Wilfried Witte (Berlin) / Heike Petermann (Münster): Bilder einer Tagung. Das internationale Symposium zur Geschichte der Anästhesiologie in Boston 2017 (ISHA 9): Methodik und Mainstream in der Anästhesiegeschichte
12:50-13:00 Pause
13:30 Matthis Krischel et al (Düsseldorf): Perspektiven
13:45 Abschlussdiskussion
14:00 Mittagsimbiss und Farewell
Nahezu alle großen, aber auch viele kleinere medizinische Fachgesellschaften haben in den letzten Jahren – meist in Kooperation mit medizinhistorischen Instituten – die Geschichte ihres Faches oder zumindest ihrer Gesellschaft während der Zeit des Nationalsozialismus erforscht und entsprechende Publikationen vorgelegt (vgl. den Überblick bei Krischel et al 2016). Die Auseinandersetzung mit diesem Thema war in vielen Fachgesellschaften über Jahrzehnte hinweg geprägt von Verdrängung. Die wissenschaftliche Analyse erfolgte nicht selten erst durch äußeren Druck. Andererseits gaben auch an der Fachgeschichte interessierte Akteure der Fachgesellschaften vielfach wichtige Anstöße für entsprechende Forschungsprojekte (vgl. Institutsprojekte Düsseldorf). Oftmals waren es die Archivare und Schriftführer der Gesellschaften, die Vorarbeiten publizierten, Gleichgesinnte suchten und dabei auch die fachkulturelle Erinnerung mit prägten. Seit den 1980er Jahren haben sich in vielen Fachgesellschaften einerseits so genannte Historische Arbeitskreise (bzw. Historische Kommissionen oder Arbeitsgemeinschaften) und andererseits Praktiken des Geschichtsschreibung herausgebildet, die durchaus nicht immer aber doch in den meisten Fällen traditionellen, fortschrittszentrierten Vorstellungen von Medizingeschichte folgten und dabei auf fachwissenschaftliche Innovationen, biographische Leistungen und institutionelle Entwicklungen fokussierten.
Ausgehend von der Frage, welche Rolle historische Reflexionen in den medizinischen Disziplinen spielen, sollen die Historischen Arbeitskreise somit als ein besonderes institutionelles Phänomen in den Blick genommen werden, das die Rolle von Geschichte in der Medizin veranschaulicht.
Der Workshop verfolgt zwei Hauptziele:
Erstens dient er einer Bestandsaufnahme der Historischen Arbeitskreise und vergleichbarer Institutionen in den medizinischen Fachgesellschaften sowie ihrer historischen Archive, ihrer Genese, allgemeiner Aufgaben und Ziele, ihrer Mitgliederstruktur sowie ganz besonders der abgeschlossenen, laufenden und geplanten Projekte und Publikationen.
Zweitens soll in wissenschaftshistorischer Perspektive nach der Bedeutung von Archiven, Archivaren und Historischen Arbeitskreisen einerseits für die Disziplinengeschichte der einzelnen Fächer und andererseits für die fachkulturelle Erinnerungspolitik, auch über die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus hinausgehend, gefragt werden. In dieser Hinsicht gilt es vor allem zu analysieren, warum sich medizinische Fachgesellschaften Historische Arbeitskreise leisten, ihnen zum Teil sogar ein Budget zur Verfügung stellen. Welche Bedeutung wird ihnen innerhalb des jeweiligen Faches zugemessen etwa für die Selbstvergewisserung, Identitätsbildung und Außendarstellung? Tragen Historische Arbeitskreise/Arbeitsgemeinschaften und Archive als Träger von kollektiver Erinnerung, aber auch kollektiven Vergessens, also auch dazu bei, dass Fachgesellschaften als Ganzes eben nicht nur Wissensspeicher sind sondern auch als Erinnerungsorte - im Sinne von Kulminationspunkten fachkultureller Erinnerung - verstanden werden können?
Über die Beiträge des Programms hinaus sollen auch Möglichkeiten der Kooperation, beispielsweise in Hinblick auf vergleichende Studien zur Rolle medizinischer Fachgesellschaften im 20. Jahrhundert und die Bildung einer Interessengemeinschaft diskutiert werden.