Karpaltunnelsyndrom
Allgemeines:
Unter dem Karpaltunnel versteht man den Handwurzelkanal. Er bildet auf der Innenseite der Hand den Übergang zwischen dem Unterarm und der Hand. Die Handwurzelknochen formen dabei eine halboffene Rinne. Nach oben hin wird diese von einer Bindegewebsplatte (Retinaculum Flexorum) begrenzt, welche sich wie ein Dach über den Kanal spannt. In dem auf diese Weise gebildeten Kanal verlaufen die Sehnen der Fingerbeugemuskulatur gemeinsam mit dem Mittelnerv bzw. Medianusnerveen.
Das Karpaltunnelsyndrom ist ein Nerven-Engpass-Syndrom. Dabei wird der Nerv im Karpaltunnel durch die Bindegewebsplatte (Retinaculum flexorum) eingeengt. Dies führt zu Schmerzen, Gefühlsstörungen und später zu Lähmungen der betroffenen Muskeln. Es ist das klassische Beispiel einer peripheren Nervenleitungsstörung, die durch eine Kompression hervorgerufen wird.
Das Karpaltunnelsyndrom ist weit verbreitet und tritt am häufigsten im Alter von 50 - 60 Jahren auf. Frauen sind von der Erkrankung doppelt so häufig betroffen wie Männer
Ursachen:
In den meisten Fällen lässt sich eine direkte Ursache für die Erkrankung nicht ermitteln.
Allerdings gibt es verschiedene Konditionen, die mit einem Karpaltunnelsyndrom assoziiert sein können.
Hierzu gehören
- knöcherne Veränderungen nach Frakturen durch Fehlstellung
- Verrenkung der Handwurzelknochen
- Sehnenscheidenentzündung bei Rheumatikern oder bei Verletzungen
- Tumoren
- Gelenkzysten (Ganglien)
- Diabetes mellitus (Polyneuropathie)
- Amyloidose (Ablagerung von Eiweißprodukten)
- hormonelle Veränderungen (Schwangerschaft, Schilddrüsenüberfunktion)
Symptome:
Das Frühstadium zeichnet sich durch Gefühlsstörungen wie Kribbeln und Schmerzen des Daumens, Zeigefingers und Mittelfingers auf der Handflächeninnenseite aus (Brachialgia paraesthetica). Es folgen ausgeprägte nächtliche Ruheschmerzen, die die Patienten häufig aufwachen lassen. Die Schmerzen lassen durch Reiben und Ausschütteln der Hände nach. Die Gefühlsstörungen und Schmerzen können allerdings auch tagsüber auftreten – gehäuft bei bestimmten Tätigkeiten, wie Rad-fahren, Zeitung-lesen, Telefonieren oder Stricken. Im Verlauf der Erkrankung entwickeln sich ausgeprägte Schmerzen, die in den Unterarm und gelegentlich sogar bis in die Schulter ziehen können. Es können aber auch elektrisierender Missempfindungen ("elektrische Schläge"), z.B. durch Greifbewegungen ausgelöst, oder permanent anhaltende Missempfindung ("die Finger kribbeln ständig") auftreten. Im weiteren Verlauf kommt es dann unbehandelt zu einem Kraftverlust der Finger, insbesondere im Daumen, sowie zu einem Rückgang (Atrophie) der Daumenmuskulatur.
Diagnose:
Die klassische klinische Symptomatik ist richtungweisend. Die klinisch-neurologische Untersuchung und verschiedene klinische Test weisen ebenfalls auf ein Karpaltunnelsyndrom hin. Die Diagnose kann schließlich durch elektrophysiologische Untersuchungen, insbesondere einer Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und Messung der elektrischen Aktivität im Muskel (EMG) gesichert werden. Sowohl bei der NLG als auch beim EMG fällt beim Karpaltunnelsyndrom eine Differenz der Messwerte im Vergleich zur gesunden Seite auf. Eine neurologische Untersuchung und ein elektrophysiologischer Befund sollte immer zur Objektivierung der Nervenschädigung durchgeführt werden.
Bei besonderen Fragestellungen können zusätzliche Untersuchungen, wie etwa Röntgenaufnahmen der Hand, hochauflösende Ultraschalluntersuchungen (Sonographie) oder kernspintomographische Untersuchungen, notwendig sein.
Therapie:
Grundsätzlich stehen konservative und operative Therapieverfahren zur Verfügung. Eine konservative Therapie sollte dabei stets am Anfang der Behandlung stehen. Lässt sich durch diese Maßnahmen keine deutliche Besserung erreichen, kann sich die Empfehlung einer Operation anschließen. Eine dringende Operationsindikation besteht allerdings bei akut auftretender Kompressionen des Nervens, die zumeist durch Unfälle oder akute Entzündungen bedingt sind.
Vor einem chirurgischen Eingriff muss immer sicher abgeklärt werden, ob die Nervenkompression nicht an anderer Stelle stattfindet, so z.B. gleich beim Austritt des den Arm versorgenden Nervengeflechts im Halswirbelbereich (C6-Syndrom) z.B. durch einen Bandscheibenvorfall oder muskelbedingt im Ellenbeugenbereich.
Eine konservative Therapie besteht aus:
- nächtlicher Ruhigstellung des Handgelenks auf einer gepolsterten Schiene
- Vermeidung mechanischer Überbelastung
- Therapie mit entzündungshemmenden und schmerzstillenden Medikamenten, z.B. Kortison
Die operative Therapie umfasst in der Regel:
Durchtrennung des bindegewebigen Retinaculum flexorum und Dekompression des Medianusnervens
- gegebenenfalls Entfernung von Weichteiltumoren oder von verdicktem Sehnengleitlagergewebe
Postoperativ sollte der Arm auf einer Schiene für 5- 10 Tage ruhig gestellt werden.
Physiotherapeutische Bewegungsübungen können sofort begonnen werden, allerdings sollten schwere manuelle Tätigkeiten für etwa 6 Wochen pausiert werden. Die Hautnaht kann nach 7 – 10 Tagen entfernt werden
Prognose:
Die Prognose ist im Allgemeinen gut. Bei Nichtansprechen der konservative Therapie sollte nicht zu lange mit der Operation gewartet werden. Die konservative Behandlung des Karpaltunnelsyndroms ist kurzfristig zwar erfolgreich, langfristig bietet die Operation jedoch eine bessere Linderung der Beschwerden. In der Literatur ist gut belegt, dass dieoperative Behandlung bei richtiger Indikationsstellung konservativen Maßnahmen eindeutig überlegen ist (z.B. Gerritsen et al. 2002, Huisstede et al 2010, Katz et al. 1998, Verdugo et al. 2003 und 2008). Dabei kommt es in über 90% der Fällen zu einer raschen, subjektiven Verbesserung nach der Operation. Im weiteren Verlauf schließt sich dann innerhalb von Wochen und Monaten die Wiederherstellung der vollen motorischen Fähigkeit an.