Tumorchirurgie
Gutartige Tumore wachsen verdrängend und zerstören benachbarte Gewebestrukturen nicht. Im Gegensatz zu bösartigen Tumoren metastasieren sie auch nicht. Gutartige Tumoren können in der Haut/Bindegewebe (Fibrome), im Fettgewebe (Lipome), in der Muskulatur (Myome), im Nervengewebe (Neurinome), im Knochengewebe (Osteome), im Knorpelgewebe (Chondrome) sowie in Speicheldrüsengewebe (Adenome) vorkommen oder beispielsweise aus Blutgefäßen (Hämangiome) oder Lymphgefäßen (Lymphangiome) hervorgehen. Praktisch in jeder Gewebeart können sich gut- oder bösartige Tumoren entwickeln.
Gutartige Tumore
Eine Indikation zur Entfernung gutartiger Tumoren besteht immer dann, wenn sie eine Größenzunahme zeigen oder zu funktionellen oder ästhetischen Beeinträchtigungen führen. Da manche gutartigen Tumore im weiteren Verlauf bösartig entarten oder zu Komplikationen (z.B. Blutungen aus Hämangiomen) führen können, ist auch in solchen Fällen eine Entfernung (oder zumindest eine Verkleinerung bei Hämangiomen oder Lymphangiomen) angezeigt. Eine Resektion oder zumindest eine Probeentnahme ist auch dann immer angezeigt, wenn die Dignität (Gut- oder Bösartigkeit der Geschwulst) nicht eindeutig geklärt ist. Durch eine mikroskopische Gewebeuntersuchung kann dies jedoch immer zweifelsfrei geklärt werden. In Abhängigkeit von der Tumorart und –lokalisation können gutartige Tumoren auch laserchirurgisch, photodynamisch oder durch Sklerosierung (z.B. Hämangiome, Lymphangiome) verkleinert oder entfernt werden.
Bösartige Tumore
Am Universitätsklinikum Düsseldorf wurde speziell für die Behandlung von Tumorpatienten das Universitätstumorzentrum Düsseldorf (UTZ) gegründet. Das UTZ Düsseldorf wird als eines von bundesweit nur 13 „Comprehensive Cancer Centers“ durch die Deutsche Krebshilfe als onkologisches Spitzenzentrum gefördert. Diese Auszeichnung durch die Deutsche Krebshilfe wird nur Zentren verliehen, welche nach standardisierten Behandlungsplänen die Behandlung von Tumorleiden auf höchstem Niveau garantieren.
Die Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universität Düsseldorf ist im Rahmen des Universitätstumorzentrums Mitglied im seit November 2014 durch die Deutsche Krebsgesellschaft zertifizierten Kopf-Hals-Tumorzentrum. Hierdurch wird für die Patienten sichergestellt, dass sie individuell nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt werden. Dabei wird die Therapie im interdisziplinären Tumorboard anhand der gültigen nationalen und internationalen S3-Leitlinien individuell für die Patienten abgestimmt.
Im Gegensatz zu gutartigen Tumoren infiltrieren und zerstören bösartige Tumore das benachbarte gesunde Gewebe. Darüber hinaus bilden sie häufig Tochtergeschwülste (Metastasen), die in andere Körperregionen verschleppt werden und dort zu weiteren Tumoren führen. Bösartige Tumoren werden je nach Ursprungsgewebe als Karzinome oder Sarkome bezeichnet und können sich wie gutartige Tumoren in allen Gewebearten im Kopf-Hals-Bereich entwickeln. Sie treten unter anderem im Bereich der Mundschleimhäute, der Speicheldrüsen, der Kieferhöhlen oder der äußeren Haut auf. Auch in den Schädelknochen können bösartige Tumoren oder Metastasen entstehen.
Die Ursachen für die Entstehung von bösartigen Tumoren im Kopf-Hals-Bereich sind vielfältig. Typische Risikofaktoren für die Entstehung von Tumoren der Mundschleimhaut sind Alkohol, Rauchen, schlechte Mundhygiene und Infektionen mit HPV-Viren. Bei der Entstehung von Hautkarzinomen und dem malignen Melanom spielt die UV-Exposition (Sonnenbestrahlung) eine entscheidende Rolle.
Die Diagnose eines bösartigen Tumors wird, nachdem der klinische Verdacht geäußert wurde, immer histologisch vom Pathologen durch eine Gewebeuntersuchung gestellt. Hierfür ist eine Probeentnahme aus dem verdächtigen Gewebe (Probeexzision) oder eine mikroskopische Untersuchung von Zellabstrichen (Bürstenbiopsie oder Punktionszytologie) notwendig.
Vor einem operativen Eingriff werden die Ausdehnung des Tumors sowie eine evtl. Metastasierung durch umfassende Diagnostik festgestellt, um das Behandlungskonzept individuell festlegen zu können. Zur Verfügung stehen uns neben der Computertomographie (CT), der Ultraschalldiagnostik (Sonographie), der Skelettszintigraphie auch die Magnetresonanztomographie (MRT). Darüber hinaus können durch die Verwendung der Positronen-Emissions-Tomographie, bei der ein radioaktiver Tracer gespritzt wird, welcher sich im Tumorgewebe anreichert, in Kombination mit einer Computertomographie (PET-CT-Untersuchung) bei manchen Tumorarten Metastasen erkannt werden oder bei Metastasen ohne Nachweis des ursächlichen Tumors, der hierfür verantwortliche Primärtumor nachgewiesen werden. Nach der kompletten Diagnostik (Staging) erfolgt eine Besprechung des therapeutischen Vorgehens im sogenannten Tumorboard, in welchem MKG-Chirurgen, Strahlentherapeuten, Radiologen, Pathologen und Onkologen die für den Patienten geeignete individuelle Therapie festlegen.
Prinzipiell können bösartige Tumoren im Kopf-Hals-Bereich durch chirurgische Resektion, Bestrahlung und/oder Chemotherapie behandelt werden. Häufig werden auch Kombinationen dieser Therapiemöglichkeiten angewendet, um den größtmöglichen Therapieerfolg zu erzielen. Welche Therapieoption zur Anwendung kommt, wird im interdisziplinären Tumorboard nach Abschluss der gesamten diagnostischen Untersuchungen festgelegt.
In den meisten Fällen stellt die chirurgische Entfernung des bösartigen Tumors einschließlich eventuell vorhandener Metastasen die beste Therapieoption dar. In Abhängigkeit vom Tumorstadium ist eine prophylaktische Lymphnotenausräumung im Hals (Neck dissection) auch ohne präoperativen Metastasennachweis sinnvoll. Durch eine postoperative Nachbestrahlung und/oder Chemotherapie kann in Abhängigkeit von der Tumorart und dem Tumorstadium die Prognose zusätzlich verbessert werden: Während beispielsweise bei ausgedehnten Mundhöhlenkarzinomen eine solche postoperative adjuvante Radiochemotherapie die Regel ist, kommt diese bei den meisten bösartigen Tumoren der Gesichtshaut deutlich seltener zur Anwendung.
Als mögliche Hoffnungsträger bietet sich neuerdings bei fortgeschrittenen oder rezidivierenden/metastasierenden Plattenepithelkarzinomen der Mundschleimhaut der gegen den EGF-Rezeptor gerichtete monoklonale Antikörper Cetuximab in Kombination mit einer Strahlen- oder Chemotherapie an.
Die durch die Tumorresektion entstandenen Gewebedefekte müssen aus funktionellen (Kauen, Schlucken, Sprechen) und ästhetischen Gründen rekonstruiert werden. Bei kleineren Defekten kann das umgebende Gewebe mobilisiert und der operationsbedingte Defekt durch Vernähen der Wundränder geschlossen werden. Bei größeren Defekten erfolgt die Rekonstruktion durch lokale oder gestielte Weichteillappen oder mikrochirurgisch reanastomosierte Gewebetransplantate, z.B. von Unterarm (Radialis-Flap), der Schulter (Scapula-Flap), dem Rücken (Latissimus dorsi-Flap), dem Unterschenkel (Fibula-Flap) oder aus anderen Regionen des Körpers.
Neben der kompletten Entfernung eines bösartigen Tumors spielt die Wiederherstellung des resezierten Gewebes durch die rekonstruktive Tumorchirurgie eine sehr große Rolle und ist entscheidend für die funktionelle und ästhetische Rehabilitation der Patienten. Gerade für diese operative Herausforderung ist die Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie in hohem Maße spezialisiert. Durch die große Anzahl an rekonstruktiven Eingriffen besteht eine große Erfahrung in der Anwendung unterschiedlichster Rekonstruktionsverfahren und Lappentechniken. In den Operationssälen stehen hierfür die modernsten Gerätschaften und Instrumente (OP-Mikroskope mit Fluoreszenz-Angiographie, O2C-Geräte zur Laser-Doppler-Flussmessung und Gewebespektrometrie, Gammasonde zur Sentinel Lymph Node Biospie, intaroperatives CT und DVT, Brainlab-Navigation, etc.) zur Verfügung. Ausgedehnte Knochenrekonstruktionen werden virtuell am Computer simuliert und entsprechende Sägeschablonen für die Entnahme der Knochentransplantate sowie dazu passende Osteosyntheseplatten aus Titan zur Fixierung der Transplantate präoperativ im CAD/CAM-Verfahren hergestellt, um ein optimales Rekonstruktionsergebnis zu erzielen.
Häufig erfolgt bei operierten (und gegebenenfalls postoperativ bestrahlten) Patienten mit Tumorerkrankungen in der Mundhöhle nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eine Anschlußheilbehandlung, um eine schnelle Rehabilitation mit Optimierung der Kau-, Sprech- und Schluckfunktionen zu ermöglichen.
In der Folge werden alle Patienten mit bösartigen Tumorerkrankungen in die engmaschige Tumornachsorge aufgenommen. Die am Anfang kurzen Nachuntersuchungsintervalle verlängern sich im weiteren Verlauf. Bei diesen Terminen wird eine eingehende klinische Untersuchung durchgeführt, begleitet von Ultraschalluntersuchungen und Computertomographien in definierten und den Leitlinien konformen Zeitabständen. Hauptziel dieser Kontrollen ist ein Wiederauftreten (Rezidiv) frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls weitere Behandlungsmaßnahmen einzuleiten.
Nach der erfolgreichen Behandlung von Tumoren in der Mundhöhle kann dann im weiteren Verlauf die kaufunktionelle Rehabiliation mit Zahnimplantaten durchgeführt werden.