Familienmedizin
Die Familienmedizin ist ein wichtiger und integraler Bereich innerhalb des Faches Allgemeinmedizin (Fachdefinition der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin [DEGAM]). Sie hat dank ihrer integrativen Betrachtungsweise die Patienten in ihrer Gesamtheit im Blick und berücksichtigt dabei „das familiäre und sozialräumliche Umfeld sowie kommunale Strukturen“ (DEGAM 2025). Sie vertritt einen generalistischen Ansatz, der mit zunehmender Spezialisierung und Partikularisierung innerhalb der Medizin (bedingt durch die Zunahme medizinischen Wissens und medizinischer Technologie) beinahe verloren gegangen wäre.
Die Familienmedizin hat Anknüpfungspunkte zu verschiedenen medizinischen Disziplinen; immer stehen dabei aber die Patienten, ihr Lebensumfeld sowie dessen Auswirkung auf ihre Gesundheit im Zentrum. Sie ist von zentraler Bedeutung für eine Gesellschaft, die sich im Wandel befindet und damit das Individuum und die Gemeinschaft vor besondere Aufgaben stellt (Migration, Alterung der Bevölkerung, Arbeitslosigkeit, Verarmung). Mit den veränderten sozialen familiären Strukturen der Gesellschaft verändert sich auch die Bezugsgröße der Familienmedizin. Dies ist nicht mehr allein die klassische Kern- oder erweiterte Großfamilie, sondern das primäre Bezugssystem und Lebensumfeld der Patienten, zu dem auch neue Formen von Lebensgemeinschaften gehören. Familienmedizin begegnet kontinuierlich und in Langzeitbetreuung Paaren, Eltern mit ihren Kindern, Geschwistern, Jugendlichen und ihren Freunden, pflegenden Angehörigen und den Pflegebedürftigen, Mehrgenerationenhaushalten und Seniorenwohngemeinschaften in der Sprechstunde und beim Hausbesuch.
Ziel des Instituts für Allgemeinmedizin (ifam), Düsseldorf, ist es, Forschung und Reflexion zur Familienmedizin in Deutschland weiterzuentwickeln und damit die Familienmedizin zu stärken.
Definition:
„Die Familienmedizin ist integraler Bestandteil der Allgemeinmedizin und der hausärztlichen Praxis. Familienmedizin umfasst die Behandlung von Patient:innen unter Berücksichtigung ihres familiären und sozialräumlichen Umfeldes, besonderer familiärer Belastungen und Ressourcen sowie kommunaler Strukturen. Sie hat dank ihrer integrativen Betrachtungsweise die Patient:innen in ihrer Gesamtheit im Blick – auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene. Da häufig mehrere Familienmitglieder in einer Hausarztpraxis in Behandlung sind, lassen sich so interfamiliale Gesundheitsdynamiken besser verstehen und die Gesundheit der Familie insgesamt fördern.“ (DEGAM 2025 – Warum Familienmedizin)
Im Sozialgesetzbuch ist die hausärztliche Versorgung als Bereich der vertragsärztlichen Versorgung enthalten und beinhaltet insbesondere: „1. die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes“ (§ 73 SGB V Abs. 1). Dies hat die DEGAM in ihrem Arbeitsauftrag der Allgemeinmedizin berücksichtigt.
Aktuelle Entwicklung in Deutschland
Hausärztliche Familienmedizin wird auch von der Bevölkerung gewünscht. Eine repräsentative Studie aus dem Jahr 2021 belegt: 46 Prozent der Bevölkerung in Deutschland wünschen sich die Behandlung mehrerer Familienmitglieder in der gleichen hausärztlichen Praxis (Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 844–5). Aktuell wird die Familienmedizin durch die an Bedeutung gewinnende generationenübergreifende Versorgung gestärkt (vgl. das Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, 2009). Die zunehmende Alterung der Bevölkerung sowie die Zunahme von Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit, die zunehmend von Angehörigen beantwortet wird, erfordern die Koordination und das Wissen um familiäre Lebensbedingungen. Familienmedizinische Aspekte sind in der koordinierenden Rolle des Hausarztes im Gesundheitswesen sowie in den Ansätzen der generationenübergreifenden Versorgung zu finden.
Von zentraler Bedeutung in der Familienmedizin sind die Vernetzung und Kooperation sowie der fachliche Austausch mit anderen medizinischen Disziplinen und Gesundheitsberufen wie der Pädiatrie, Gynäkologie, Onkologie, Geriatrie und Palliativmedizin, mit Hebammen / Familienpflegerinnen, Sozialarbeit, Psychotherapie, Physiotherapie, Rehabilitation, Familientherapie und Krankenpflege. Die interdisziplinäre Kooperation und Koordination der beteiligten Berufsgruppen ist weiter ausbaufähig. Ein Modell für eine generationengerechte, familienbezogene Grundversorgung der Bevölkerung in Deutschland hat der Sachverständigenrat mit der ‚Primärversorgungspraxis (PVP)’ als Weiterentwicklung der heutigen Hausarztpraxis vorgelegt.
Weitere Informationen finden Sie auch auf unserer Webseite zur Familienmedizin in der Hausarztpraxis: http://www.familien-medizin.org/ sowie auf der Seite der DEGAM .