Stillen oder Fläschchen?
Forschungsprojekt an der Heinrich-Heine-Universität zur historischen Entwicklung des Stillverhaltens
Über 90 Prozent aller Mütter stillen ihre Kinder nach der Geburt und das aus guten Gründen, gilt Stillen doch als gesundheitsförderlich sowohl für das Kind als auch für die Mutter. Die empfohlene Mindestdauer von sechs Monaten wird aktuell allerdings nur von der Hälfte erreicht. Als Ursachen gelten gesundheitliche Probleme, berufliche Belastungen und persönlicher Lebensstil. Während die frühkindliche Entwicklung heute auch durch zahlreiche Milchprodukte der Lebensmittelindustrie sichergestellt werden kann, zeigen Rück- und Seitenblicke die enorme Bedeutung, die das Stillen für das erste Lebensjahr haben kann. „Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag die Säuglingssterblichkeit der nichtgestillten Kinder sieben mal höher als die der gestillten und auch heute noch könnten in den Entwicklungsländern 1,4 Millionen Todesfälle durch das Stillen vermieden werden“, so der Düsseldorfer Sozial- und Medizinhistoriker Professor Jörg Vögele. Gleichwohl schwanke die Rate der stillenden Mütter und die Stilldauer in historischer Perspektive erheblich. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden insbesondere in den Städten immer weniger Säuglinge gestillt, erst in den Notzeiten der Weltkriege kehrten die Mütter verstärkt zum Stillen zurück. In den fortschrittsgläubigen 1960er und 1970er Jahren setze dann ein Siegeszug der so genannten „künstlichen Ernährung“, also der Industrieprodukte ein – unterstützt von der Emanzipationsbewegung.
Erst in den 1980er Jahren stiegen die Stillquoten wieder auf das heutige Niveau an und das Stillen wurde fast schon wie ein Dogma propagiert. Dokumentiert sind die Beweggründe für die Entscheidung der Mütter allerdings nur in wenigen Studien aus jüngerer Vergangenheit, während für das Verhalten früherer Generationen nur allgemeine Annahmen getroffen werden können. Genau dieser Frage möchten Professor Vögele und sein Team junger MedizinhistorikerInnen von der Heinrich-Heine-Universität in einem Forschungsprojekt zur Geschichte der Säuglingsernährung und der Stillkampagnen im historischen Rückblick auf das 20. Jahrhundert nachgehen. Gesucht werden daher Mütter aller Generationen, die bereit sind den Wissenschaftlern über Ihre persönlichen Erfahrungen zur Säuglingsentwicklung und -ernährung zu berichten. „Wir haben einen speziellen Fragebogen entwickelt, der insbesondere die persönlichen und gesellschaftlichen Einflussfaktoren berücksichtigt. Darüber hinaus suchen wir so genannte Eltern-, Still- oder auch Erziehungstagebücher, in denen Mütter die ersten Lebensmonate ihrer Kinder und teilweise auch deren Ernährung festhalten,“ erläutert Prof. Vögele das Projekt weiter. Unerheblich sei dabei Umfang und Form der Aufzeichnungen (Texte, Stichpunkte, Tabellen), auch muss keineswegs die Ernährung im Mittelpunkt stehen. Die wissenschaftliche Auswertung erfolgt selbstverständlich vertraulich anhand einer Kopie des Materials und die Darstellung der Ergebnisse ohne Namensnennung. Interessierte Mütter und (Ur-)Großmütter unter unseren Lesern wenden sich für weitereInformationen und Kontakt bitte an
Luisa Rittershaus
Institut für Geschichte der Medizin der Heinrich-Heine-Universität
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